Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger
„Zum Glück habe ich nicht die Frau angesprochen, die mir so gut gefallen hat“ und dann kam auch schon der Satz: „Zum Glück habe ich nicht das Eis in Venedig gegessen!“ Ein Satz nach dem anderen lief über den Bildschirm. Es endete mit den Worten: „Und? Worüber wirst du dich freuen?“
Vielleicht haben sie jetzt ähnlich gestutzt wie ich. Bei Nachdenken über einen kleinen Film mit dieser Frage fiel mir auf, dass es tatsächlich vielen Dinge in meinem Leben gibt, die ich nicht mache – aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich verzichte lieber oder warte auf einen besseren, anderen Moment. Dabei wissen wir ja, dass jede unserer Entscheidungen unsere Geschichte prägen. Oft jedoch sind wir leider nicht mutig genug, unser Leben so zu gestalten, das es uns erfüllt – ohne zu warten oder ohne Reue. Da verzichten wir doch lieber.
Doch Verzicht ist eben nicht gleich Verzicht. Denn auch wenn diese Wort gerade in vieler Mund ist, so kommt es ja immer auch darauf an, auf was ich verzichte. Denn es gilt zwar: Wer mehr hat, hat zwar mehr – aber wer weniger hat, hat oft mehr davon. So ist es kein Wunder, dass Minimalismus, Fasten oder das ausgeschaltete Handy voll im Trend liegen. Doch was genau ist so faszinierend daran, sich selbst Dinge zu verbieten? Werden wir uns irgendwann darüber wirklich freuen? Und ist „sich etwas nicht zu gestatten“ obwohl es uns erfüllen würde etwas anderes als ein spärlich möbliertes Haus oder ein stilles Wasser als Fastenspeise?
Es gibt natürlich auch Geschichte, wo beides zusammenkommt. Ein Verzicht ohne Reue. Verbunden mit der inneren Haltung, genau das Richtige getan zu haben. Wie bei der Legende vom Heiligen Martin. Er teilte seinen Mantel mit einem frierenden Bettler und verzichtete auf seinen persönlichen Komfort eines großen, warmen Mantels. In der Legende von einst wie heute scheint der Verzicht oder das Teilen zuweilen aus der Mode geraten zu sein.
Folge ich jedoch der kleinen, mutigen Stimme des Herzen, so bedeutet es auch, offen für die Bedürfnisse anderer zu sein – auch um die Gemeinschaft zu stärken. Es ist also ein interessanter Balance-Akt zwischen meinem persönlichen Glück und dem Mitgefühl für andere. Damit ich am Ende meines Lebens mich wirklich freuen kann über die mir geschenkte und sinnvoll genutzte Zeit hier auf Erden.