Einheit in Christus als Keim des Wachsens

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über den Anspruch des Galterbriefes

Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt ein Mensch in Christus Jesus. ehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben.

Galater 3,26–29

Manchmal liege ich nachts wach und frage mich: Wie konnte sich das Christentum von einer kleinen Bewegung am östliche Rand des Römischen Reiches zur Staatsreligion desselben entwickeln? Die einfache Antwort ist: Weil es Gottes Wille war. Schwieriger ist allerdings zu beantworten, welcher Mittel sich Gott dafür bediente. Wirkte das Christentum anziehend auf so viele Menschen, weil es eine hervorragende und bis dahin so nicht bekannte Armenfürsorge praktizierte? Oder weil die Zeugnisse der Märtyrer und Märtyrerinnen beeindruckten? Lag es daran, dass der strenge Monotheismus und die klaren ethischen Regeln einen im Vergleich mit anderen Religionen einfachen Rahmen für die eigene Frömmigkeit gaben?

Das alles hat zur großen Attraktivität des Christentums geführt. Darüber hinaus lebten antike Christinnen und Christen das, was Paulus im Galaterbrief beschreibt. Sie fragten nicht nach der Herkunft, sie fragten nicht nach dem Geschlecht oder der sozialen Schicht ihrer Gemeindeglieder. Die christlichen Gemeinden überwanden ethnische, soziale und gesellschaftliche Unterschiede und lebten als eine Einheit in Christus. Und so stelle ich mir vor, dass beim gemeinsamen Mahl der Sklave zusammen mit der Händlerin aß, der Kaufmann mit der Frau des Statthalters und der Handwerker mit der Gemeindeleiterin. 

Manchmal liege ich nachts wach und frage mich: Wie konnte das Christentum so an Attraktivität verlieren? Liegt es daran, dass wir die Armenfürsorge an die Diakonie ausgelagert haben? Oder bezeugen zu wenige Christinnen und Christen ihren Glauben öffentlich und überzeugend? Oder ist unsere Lehre und Ethik zu kompliziert und unverständlich geworden? Oder liegt es daran, dass wir nur meinen, eine bunte und offene Kirche zu sein? 

Emmanuel Kileo, der Direktor des Ev.-luth. Missionswerks (ELM) in Niedersachsen, wurde im Podcast „Stachel und Herz“ gefragt, was sein Traum einer Kirche im globalen Norden sei. Er antwortete: „Ich träume von einer bunten Kirche, wo ich beim Reinkommen sehe, ich bin nicht der einzige, der schwarz ist, der anders aussieht. Da sind Asiaten, da sind Afrikaner, und gemeinsam singen wir und loben wir unseren Herrn.“

Seinen Traum möchte ich ergänzen. Ich träume außerdem von einer Kirche, in der der Andreas-Gabalier-Fan neben dem Bach-Liebhaber sitzt, in der Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter und Familienstand keine Rolle spielen und in der der Flüchtling zusammen mit der Oberkirchenrätin das Abendmahl austeilt. Und von dieser Kirche möchte ich nicht nur träumen. Manchen wir uns gemeinsam daran, sie zu leben!

Lied EG 268: Strahlen brechen viele

Nina Lubomierski, Dekanin in Landshut