Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über Lebensorientierung
Der HERR ist mein Gut und mein Teil; du hältst mein Los in deinen Händen! Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land; mir ist ein schönes Erbteil geworden. Ich lobe den HERRN, der mich beraten hat; auch mahnt mich mein Herz des Nachts. Ich habe den HERRN allezeit vor Augen; er steht mir zur Rechten, so wanke ich nicht. Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich; auch mein Leib wird sicher wohnen. Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Grube sehe. Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.
Psalm 16,5–11
Ein ganzes Leben. Ein warmer Sommerabend. Im Sommernachtsfilmfestival läuft Open Air eine Literaturverfilmung. Bis auf den letzten Platz ist der zauberhafte Garten gefüllt – „ausverkauft“ steht am Eingang. Heiter, gelassen, ja eine vergnügte Atmosphäre.
Ein ganzes Leben. 115 Minuten episches Drama vor imposanter Bergkulisse mit ebensolcher Filmmusik – der gleichnamige Film von Hans Steinbichler (2023) basiert auf dem Bestseller-Roman von Robert Seethaler. Anfang des 20. Jahrhunderts kommt mit dem Bau einer Seilbahn in den Alpen eine bahnbrechende Veränderung in das abgelegene Berg-
dorf, wo Andreas Egger als Hilfsarbeiter sein entbehrungsreiches Dasein fristet. Er ist kein gebrochener Mann, obwohl er aufgrund von zwei Beinbrüchen hinkt und ihm das Leben viele Brüche beschert und diese nicht spurlos an ihm vorübergehen: Gewalt, Verluste, Armut, Krieg, Unglücke. Er gehört zu den Überlebenden. Trotz allem nimmt er das Leben, wie es ist.
Es ist, was es ist. Gleichzeitig sieht Andreas Egger im Wandel eine Chance. Er sieht sich „als kleines, aber gar nicht mal so unwichtiges Rädchen namens Fortschritt“. In aller Härte des Lebens ist er ein glücklicher Mensch und blickt dankbar und in aller Bescheidung zufrieden auf sein Leben zurück. Ein Film von Glück und Unglück und wie beides im Leben seinen Platz findet.
Nach dem Film: Ruhe, Stille, viele bleiben sitzen, wischen sich eine Träne aus den Augen. Das war keine leichte Kost, trotzdem bleibt so etwas wie ernsthafte Heiterkeit.
Ein ganzes Leben. Was ist das Leben? Was ist mein Leben? Wo bin ich hingesetzt in Zeit und Raum? Was braucht es zum Glücklichsein? Welche Brüche habe ich erlebt? Wo sehe ich trotz allem im Wandel eine Chance? Wo kann ich Zufriedenheit und Glück gerade in der Bescheidung erleben?
Ein ganzes Leben. Der Psalm 16 erzählt vom Weg zum Leben: „Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“ Im Film kommt am Ende bei Andreas Egger eine Ahnung auf, dass das Leben „bis zur Endstation“ in allen Brüchen letztlich gehalten ist und ihn Liebe erwartet. Der Psalm 16 sagt das so: „Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen.“ Davon war im Open Air-Kino viel zu spüren. Ein Film, der Kunde gibt. Für mich ein unerwarteter, ausverkaufter „Gottesdienst“ an einem warmen Sommerkinoabend. Amen.
Christine Ursel,
Pädagogische Leitung und Geschäftsführung, forum erwachsenenbildung Nürnberg