Warten im Übergang

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Chefredakteurin Susanne Borée, Hintergrundbild von Erich Kraus

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt von Susanne Borée

Der Ort an sich mag beschaulich sein – das blieb uns verborgen. Schließlich liegt er noch einiges entfernt vom Fährhafen Puttgarden, an dem uns der Schnellbus ausspuckte. Nur wenige Schritte indes waren es zum Glück zur Haltestelle des Flixbusses, der uns weiter nach Dänemark bringen sollte.

Dort an der Haltestelle des Übergangs, an dem Fährhafen der Grenze sahen wir die großen Transportschiffe voller Autos und Lastwagen ankommen und abfahren. Da schauten wir zu, wie die Haltespuren sich mit den Autoschlangen füllten und im Rhymthmus der Fähren wieder leerten.

Der Blick aufs Meer jedoch blieb uns ebenso verborgen wie der Ort an sich – von Zäunen und Mauern verstellt. Der Weg dorthin erschien uns als zu umständlich und heiß mit all unserem Gepäck. An der Haltestelle wehte trotz allen Motorenlärms noch ein Lüftchen aus Richtung des Meeres. 

War diese Rast beim Umsteigen nicht auch beinahe ein Gleichnis unseres Lebens im Übergang von Warten und neuem Aufbruch? Die Blicke in die Ferne begrenzt – nur die Sehnsuchtsschreie der Möwen am Himmel, die alle Einzäunungen überwinden konnten.

Und jetzt hatte unser Anschlussbus noch Verspätung! – Nun hätten wir bereits selbst auf der Fähre sein sollen und stehen hier immer noch! Das machte das Gefühl des Übergangs noch unwirklicher – auch wenn uns die App minutengenau darüber auf dem Laufenden hielt, wo genau unser Bus ausgebremst wurde.

Alles in allem also ein wenig eine Erfahrung, die dem „Warten auf Godot“ zu ähneln schien – obwohl unser Bus zum Glück am Ende kam und am anderen Ufer noch einiges an Fahrtzeit aufholte. 

Auch wenn wir zurück im Alltag einmal ausgebremst werden, gilt es nicht die Geduld zu verlieren und diese Ruhepausen zu nutzen. Vielleicht hätten wir uns doch zum Meer oder zum Ort durchschlagen sollen? Oder intensiv lesen? Oder endlich einmal lange vernachlässigte Gespräche führen?

Andererseits war es trotz des wenig beschaulichen Panoramas dennoch fast meditativ, den sich füllenden und leerenden Schlangen zuzusehen. Das Innehalten anstelle des Vorwärtsdrängens füllte sich so beinahe mit Sinn – zumindest mit Sinneseindrücken.

Auch mitten im Übergang geht es weiter. Schon bald erreichten wir unser Ziel – auch ohne dass uns selbst Flügel wachsen mussten.