Lebensbilder glaubensstarker Liederdichter

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Hilbert: Von Paul Gerhardt zu Manfred Siebald
Hilbert: Von Paul Gerhardt zu Manfred Siebald

Buchtipp zu einem Potpourri ausgewählter Biographien

Eindrucksvoll beschreibt Matthias Hilbert, wie die 22-jährige Sängerin Marion von Klot im Mai 1919 im Gefängnis von Riga das Glaubenslied „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl“ vorsang. Die Kommunisten hatten sie inhaftiert – und sollten sie nur einen Tag später hinrichten. Gedichtet hatte den Text Hedwig von Redern (1866–1935), deren Familienbesitz im Havelland kurz nach dem frühen Tod des Vaters dann 1887 einem furchtbaren Brand zum Opfer fiel.

Diese Darstellung gehört zu den stärkeren Szenen in dem Sammelband „Von Paul Gerhard bis Manfred Siebald. 20 Lebensbilder alter und neuer Liederdichter“ von Matthias Hilbert. 20 Dichtern und Dichterinnen hat er nachgespürt. Wenig überraschend beginnt Paul Gerhardt diesen Kreis. Die Lebensbilder Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorfs und Gerhard Tersteegens finden sich dort ebenfalls. 

Doch das ist längst nicht alles, was dieser Band zu bieten hat: Daneben erfahren wir, dass Charles Wesley, der jüngere Bruder und Mitstreiter des Methodisten-Gründers John Wesley den bekannten und schwungvollen Weihnachts-„Ohrwurm“ mit der Melodie von Felix Mendelssohn-Bartholdy „Hark! The Herald Angels Sing“ („Hört die Engelschöre singen“) verfasste. Auch die Bekehrungsgeschichte der Brüder steht im Mittelpunkt des Textes.

Damit ist auch schon das besondere Augenmerk des Büchleins umschrieben: Es stellt Menschen mit beispielhafter Glaubenserfahrung dar – meist aus dem Raum der Erweckungsbewegungen oder dem Pietismus, was sich sich in ihren Dichtungen niederschlug und die Menschen mit ihnen machen konnten. 

Ferner widmet sich der Autor auch unbekannteren Frauen wie Julie Hausmann oder eben Hedwig von Redern, die sich nach ihren familiären Katastrophen der Erweckungsbewegung zuwandte. Sie verdiente schließlich ihren Lebensunterhalt mit Gedichten und Erzählungen, aber auch mit „Lebensbildern“ christlicher Menschen.

In einem zweiten Teil seines Sammelbandes stellt Hilbert neuere Liedermacher vor. Will sagen: Geboren sind sie zwischen 1934 und 1961 – also aus der Generation des Autors (* 1950). Er ist mit ihnen „schon seit Jahrzehnten vertraut“. Neben Siegfried Fietz und Manfred Siebald finden sich dort auch Dichter mit DDR-Biografie wie der Prediger Theo Lehmann und Jörg Swoboda. Letzteren lernte Matthias Hilbert nach der Wende bei einem Konzert in seiner freikirchlichen Gemeinde kennen. Aber auch Lehmanns eher brüske Erscheinung im Alter wird durch die Prägung durch seine Stasi-Erfahrungen nachvollziehbar.

Er wolle den einzelnen Persönlichkeiten „gerecht werden“, aber sie „nicht verklärend vorstellen“, betonte Hilbert im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. So berichtet er auch eindrücklich, wie etwa Arno Backhaus durch seine ADHS geprägt wurde und daran wuchs. Oder Peter Strauch durch seinen „Burnout“ zum Wesentlichen fand. 

Viele Jahre lang sammelte Hilbert Selbstzeugnisse, Interviews oder Berichte gerade über die noch lebenden acht Liedermacher. Ihnen hat er auch die fertigen Porträts vorgelegt, so dass sie die dort dargestellten Fakten bestätigen oder teils ergänzen konnten. Unterschiedliche Stil­ebenen und dem Sammlungscharakter merkt man da manchen Porträts an. Es ist ein facettenreiches Potpourri entstanden.

Matthias Hilbert: Von Paul Gerhardt bis Manfred Siebald. Christl. Verlagsgesellschaft, Dillenburg 2024, 272 S., 17,90 Euro; ISBN 978-3-86353-879-3.