Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zu rechter Sorglosigkeit
Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. … Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Aus Mt 6,25–34
Jesus hat die Bergpredigt Ende Februar gehalten, so stelle ich es mir jedenfalls vor. „Seht die Vögel unter dem Himmel an“ ruft er der Menge zu, während sich über den Feldern die Stare sammeln. Sie haben in Israel überwintert und bereiten sich nun für den Flug nach Europa vor. Die Menge hält den Atem an und staunt. Tausende von Vögeln zaubern wunderbare bewegte Bilder wie Vorhänge in die Luft. Von unsichtbarer Hand gelenkt scheint jeder Vogel genau seine Flugbahn zu kennen. Und das Staunen reicht weiter über das Brausen am Himmel, sogar die Wiederkunft der Stare im Herbst aus fernen Ländern weist auf Gottes unbegreifliche Fürsorge hin.
So seid auch ihr, ermutigt Jesus die Zuhörer, auf geheimnisvolle Weise werdet ihr geleitet und behütet, im Hier und Jetzt genauso wie in Zukunft. Doch wir tun uns heute schwer, nach dieser Zusage unsere Lebensbahnen zu ziehen. Es gibt viele gute Gründe zur Sorge, ich denke nur an die Not, die Menschen tagtäglich erleiden. Da ist es allzu verständlich, dass wir unser Heil im Streben nach Sicherheit suchen.
Glaube tickt anders. Gott lässt sich nicht einplanen. Diesen Gott gibt es nicht, oder wie Dietrich Bonhoeffer im Juli 1944 aus dem Gefängnis schrieb: „Vor und mit Gott leben wir ohne Gott (…), Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns“.
Bald geht es wieder los mit dem Vogelzug. Die Stare sammeln sich im September für ihren Flug ans Mittelmeer. Wenn ich Glück habe, kann ich sie mit offenem Mund bei ihrer Flugshow bestaunen. Zugleich lese ich von ihrer Gefährdung durch industrielle Landwirtschaft und Klimakrise. Vielleicht bin ich dann gerade deswegen – angesichts der wunderbaren Schöpfung und ihrer Verletzlichkeit – ganz nah dran am Vertrauen, das Jesus meint: „Sorgt euch nicht (…), denn jeder Tag hat seine eigene Plage!“
Dekan Max von Egidy, Uffenheim