Das Wagengrab von Essenbach – ein Schatz der Bronzezeit im Germanischen Nationalmuseum
Es war ein spektakulärer Fund, der Archäologen 2011 im niederbayerischen Essenbach gelang: Überreste eines bronzezeitlichen Prunkgrabs, in dem ein hochrangiges Mitglied der damaligen Gesellschaft mit einem Zeremonialwagen feuerbestattet worden war. Erstmals sind die Funde aus dem Wagengrab nun bis zum 7. Januar in einer Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum (GNM) zu sehen. Sie belegen, dass der Bestattete ein bedeutender politischer, wirtschaftlicher und religiöser Akteur war, der als Teil eines weit über Europa hinausreichenden Elite-Netzwerks agierte.
„Das Wagengrab von Essenbach ist ein ebenso überraschender wie seltener Fundkomplex von überregionaler Bedeutung“, betont Generaldirektor Professor Daniel Hess. Die Ausstellung stellt „die Funde in einen gesamteuropäischen Kontext und zeigt, dass der kulturelle Austausch in der Bronzezeit bereits von der russischen Steppe über den Nahen Osten bis nach Europa reichte.“
Prunkvolle Ausstattung
Das Wagengrab stammt aus der frühen Urnenfelderzeit und damit, wie der Großteil der Exponate, in das 13. Jahrhundert vor Christus. Sie kamen 2019 als Schenkung der Marktgemeinde Essenbach ans Germanische Nationalmuseum in Nürnberg. Nach der Erforschung und Rekonstruktion steht es im Zentrum der Ausstellung, einzigartige Überreste von Beigaben, die meist zusammen mit dem Toten verbrannt wurden.
Es sind Beschlagteile eines vierrädrigen Prunkwagens, Bestandteile des zugehörigen Pferdegeschirrs, ein Schwert sowie kleine Bronzegewichte, außerdem ein bronzenes Rasiermesser und ein goldener Ring. Das Schwert wurde vor dem Verbrennen absichtlich verbogen und zerbrochen und auf diese Weise bewusst einer Verwendung in der diesseitigen Welt entzogen.
Schwerter wurden politischen Machthabern beigegeben; Gewichte verweisen auf eine Tätigkeit in Produktion und Handel und damit auf wirtschaftliche Macht. Bronze war im 13. Jahrhundert vor Christus der dominierende Werkstoff, das der gesamten Epoche ihren Namen gab. Bronze besteht aus Kupfer und Zinn. Kupfer kommt im Alpenraum vor, Zinn im heutigen Cornwall und der französischen Bretagne. So entstanden im Verlauf der Bronzezeit weitreichende Handelsnetzwerke. Mit Bronze zu handeln bedeutete zwangsläufig, über Kontakte, weitreichende Verbindungen und Macht zu verfügen.
Der Handel mit Metallerzen beförderte den Ausbau von Handelswegen: Gelegentlich haben sich in Mooren hölzerne Bohlenwege aus der Bronzezeit erhalten. Der Fundort des im Zentrum der Ausstellung stehenden Wagengrabs liegt nicht zufällig an einer bronzezeitlichen Fernhandelsroute.
Das Grundprinzip eines Wagens, die Kombination einer Transportfläche mit Rädern, ist seit der Mitte des 4. Jahrtausends vor Christus bekannt. Solche Wagen wurden zunächst von Rindern gezogen. Grundlegende Veränderungen im Wagenbau vollzogen sich Ende des 3. Jahrtausends vor Christus. Pferde konnten leichtere, mit zwei Speichenrädern versehene Fuhrwerke ziehen, die vom Wagen aus gelenkt wurden. Sie waren schneller und wendiger – und wurden zum Prestigeobjekt wie ein Mercedes heute.
Auch zwei aus Bronze gegossene Speichenräder aus dem rumänischen Arcalia sind beeindruckende Zeugnisse dieser neuen Technik. Die Ausstellung zeigt neben dem Grab hochrangige Leihgaben Deutschland, Ungarn, Slowakei, Serbien und Slowenien.
Die Nutzung dieser exklusiven Fahrzeuge war ausschließlich einer kleinen gesellschaftlichen Elite vorbehalten. Nur wer über ein entsprechendes Vermögen verfügt, konnte es sich leisten, Pferde zu unterhalten und zu trainieren – und vermochte spezialisierte Handwerker zu beschäftigen, die zum Bau und der Wartung der Wagen nötig waren.
Anbetung der Sonne?
Eine besondere Bedeutung kam der Sonne in der Religion der Bronzezeit zu. Bildliche Darstellungen aus dieser Epoche sind selten, die wenigen über lieferten Beispiele zeigen vorwiegend Sonnenscheiben- oder Speichenradmotive, daneben Vögel, die als Mittler zwischen Erde und Himmel galten. Nach damaliger Vorstellung zog die Sonne jeden Tag in einem Schiff, einer Barke, über den Himmel. Mit ihrem regelmäßigen Lauf war das Gestirn Ausdruck höchster göttlicher Kraft sowie der kosmologischen Ordnung.
Im Wagengrab von Essenbach fanden sich leicht gebogene, metallene Tüllen. Sie waren am vorderen und am hinteren Ende des Wagens angebracht. Die Form des Wagens sollte an ein Schiff erinnern. Der Fahrer eines solchen Wagens reiste also wie das Himmelsgestirn, was ihm eine kultisch-religiöse Bedeutung und Funktion verlieh.
Auf den Sonnenkult verweist auch der Goldhut von Ezelsdorf/Buch im Germanischen Nationalmuseum. Die horizontalen Bänder, die seinen Schaft zieren, bestehen vorwiegend aus punzierten Kreismustern und Speichenrädern als Symbole für die Sonne. Politische und religiöse Macht waren eng verbunden. Ein Wagenmodell dieser Zeit aus Serbien ist ebenfalls zu bestaunen – Enten ziehen es. Offenbar hatte es eine kultische Funktion. Heute ziert es die serbischen Führerscheine.
Bestattung der Bronzezeit
Die Bronzezeit dauerte von etwa 2.200 vor Christus bis 800 vor Christus. Die Urnenfelderzeit ist der jüngste Zeitabschnitt der Bronzezeit, der den Zeitraum ab 1.300 vor Christus umfasst. Archäologen unterteilen die Bronzezeit in Mitteleuropa nach der Art der Bestattungen in drei Abschnitte: die Frühzeit, in der Körperbestattungen in flachen Erdgräbern üblich waren. Später wurden die Toten in Grabhügel beigesetzt. Und in der Spätbronzezeit, dem das Wagengrab zugeordnet ist, wurden Tote verbrannt und ihre Überreste in Urnen bestattet. Offenbar hatten sich die religiösen Vorstellungen gewandelt. Es gab nun ganze Felder, in denen oft mehrere hundert Urnen nah beieinander beigesetzt sind – wie auf einem heutigen Friedhof.
Hochrangige Persönlichkeiten wurden mit den Insignien ihrer Macht eingeäschert. Die Rückstände – sowohl menschliche Überreste als auch Keramik- und Metallreste – wurden dann der erkalteten Asche entnommen. Erhalten haben sich daher überwiegend Objekte aus Metall. Ihre wissenschaftliche Aufarbeitung erlaubt Rückschlüsse auf die Verstorbenen, aber auch grundsätzliche Erkenntnisse zu den damaligen Lebensverhältnissen in Europa.
Der Tote aus dem Wagengrab war im 13. Jahrhundert vor Christus ein Zeitgenosse des ägyptischen Pharao Ramses II. Und laut Ilias begann damals der Trojanische Krieg. Dann wären Odysseus und Achilles ebenfalls seine Zeitgenossen.
PR/bor