Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zum gemeinsamen Mahl
Weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Mensch gerecht. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben. Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.
Aus Galater 2,16–21
Was essen wir heute? Manchmal ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten, auch wenn es bei uns nicht an den unterschiedlichsten Lebensmitteln mangelt. Essen soll möglichst gesund sein, ausgewogen, klimafreundlich, fair und regional – und natürlich soll es auch schmecken. Noch dazu gibt es Vegetarier, Veganerinnen, Laktose-Intolerante oder solche, die keinen Käse mögen oder Allergien haben. Nicht einfach, für alle eine gemeinsame Mahlzeit zu finden. Einfacher wäre es, auf die Tischgemeinschaft zu verzichten. Das hieße aber auch, auf viele gute Gespräche und Gemeinschaft zu verzichten.
Die Frage nach dem „richtigen“ Essen hat schon die Menschen zur Zeit des Apostels Paulus beschäftigt. Denn genau darauf bezieht sich Paulus in seinem Brief an die Gemeinden in Zentralanatolien, wenn er ihnen von einem Eklat berichtet, als Petrus sich vom gemeinsamen Essen mit den Heidenchristen zurückzog (siehe Galater 2,11–15).
Die einen hielten weiter an der jüdischen Tradition ihrer Vorfahren mit ihren Speisevorschriften fest; die anderen mit einem anderen kulturellen und kulinarischen Hintergrund wollten von diesen Regeln nichts wissen. Die Tischgemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen schien zu scheitern. Die Spaltung der Gemeinde drohte. Wer lebt richtig und gottgefällig?
In diesem Konflikt formulierte Paulus zum ersten Mal seine Gedanken zur Rechtfertigung, also zur Frage, wie der Mensch seine Bestimmung vor Gott erfüllen kann. Und Paulus macht den Galatern und uns heute klar: Nicht das sture Befolgen von Vorschriften, das regelkonforme Leben ist es, worauf es ankommt.
Der Glaube allein zählt. Und die Gnade, mit der sich Gott uns liebevoll zuwendet. Wer Regelwerke als Abschottung gegenüber „den anderen“ versteht, der hat die Botschaft Jesu nicht verstanden: Ihm, Jesus, geht es um Gemeinschaft, um die Tischgemeinschaft im Reich Gottes, so wie er sie uns bei Lk 13,29 zusagt, dass Menschen aus allen Himmelsrichtungen zusammenkommen.
Wo Menschen aus ganz unterschiedlichen Richtungen zusammenkommen – aus verschiedenen Lebenssituationen, mit verschiedenen Gaben und Vorlieben, kulturellen Prägungen, Lebensentwürfen und Ernährungsweisen – und dennoch zusammenstehen, da ist Gottes Reich schon heute spürbar, da wachsen Verstehen und Vertrauen. Nicht nur am Esstisch zwischen Veganern und Fleischliebhaberinnen.
Dekan Uwe Rasp, Bad Neustadt an der Saale