Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zum Volkstrauertag von Susanne Borée
„Der, der ich bin, grüßt trauernd den, der ich möchte sein.“ Dieser Spruch, Friedrich Hebbel zugeschrieben, treibt gerade einen meiner Freunde um. Wer würde nicht gerne eine Persönlichkeit sein, deren Auftreten Begeisterung erregt? Der die Herzen zufliegen und die Aufmerksamkeit weckt. Die immer im Mittelpunkt steht und deren Meinung gefragt ist.
Ist das nicht auf Dauer ganz schön anstrengend? Reicht es nicht aus, mit sich selbst im Einklang zu sein? In einem Zustand innerer Ruhe wäre die Ausstrahlung nach außen wohl alles andere als ein Problem.
Da wollte ich von dem Freund wissen, was genau er sich für eine Veränderung wünscht: Die inneren Blockaden und so die eigene Unsicherheit überwinden, das war ihm letztlich wichtig. Gerade dies lässt sich wohl nicht mit ein wenig mehr Willenskraft ändern – denn dann besteht nur die Gefahr einer zunehmenden inneren Verkrampfung.
Mein Gott, da ist guter Rat teuer! Ein wenig Meditation für die innere Gelassenheit wirkt da wohl wenig. Da ist es nötig, dass man die Zweifel, seine Beschränkungen aushält – und damit ringt wie Jakob am Jabbok mit dem gesichtslosen Gegenüber (1. Mose 32).
Stattdessen lassen wir uns in unsere Zerrissenheit schnell mal provozieren – oder auch in den Hass auf andere oder letzlich uns selbst treiben. Das zeigt wohl eher die persönliche Haltlosigkeit. Der Zweifel an sich selbst, das Ringen damit bietet hingegen zumindest die Möglichkeit, den Kopf zu heben und die Morgenröte des neuen Tages wahrzunehmen. Beim Anbruch des ersten Lichts ließ sich für Jakob das Ringen beenden.
Konnte er dann mit verrenkter Hüfte, aber gesegnet zu neuen Horizonten aufbrechen? Natürlich weicht der Himmel gerade in seiner Weite immer neu vor uns zurück. Es gehört wohl zum Wesen unserer Lebensaufgaben, dass sie bleibende Spuren hinterlassen. Was sich einfach niederringen lässt, ist dem Kampf um eine gesegnetere Zukunft nicht wert.
Gibt es ein Zuspät für Veränderungen? Hoffentlich nicht. Doch die Zuversicht, mit allen Schwächen beim Schöpfer aufgehoben zu sein. Und sich so den eigenen Unzulänglichkeiten zu stellen, die dennoch von ihm gewollt sind. Nach dem beharrlichen Ringen im Novembergrau bleibt die Hoffnung auf den ersten Gruß des Kerzenscheins im Advent.