Ein neues Heim finden

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Inge Wollschläger, Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern
Inge Wollschläger, Mitglied der Redaktionskonferenz im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern, Hintergrundbild von Erich Kraus.

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger

Eine Freundin zieht um. Es ist nicht ihr erster Umzug im Leben. In den letzten Jahren hat es davon schon mehrere gegeben – immer verbunden mit der Hoffnung: Das bleibt jetzt so. Doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. So räumte sie einmal mehr ihr altbekanntes Leben über viele Wochen neu um und ein. Dieser Umzug war nicht freiwillig. Ihr
Leben änderte sich erneut schneller, als sie blinzeln konnte. Sie hatte Herzklopfen bei jeder neuen Wohnungsbesichtigung, verbunden mit der Frage, ob das ihr „neues Zuhause“ sein würde. Und beständig machte sich Sorge und Hoffnungslosigkeit breit, wenn wieder eine Absage kam.

Irgendwann hatte sie dann ein schönes, zukünftiges Heim gefunden und ab da wurde geplant. Passt das Sofa unter die Dachschräge? Kann ich mein Küchenbuffet mitnehmen und wird es durch das enge Treppenhaus überhaupt zu transportieren sein? Wohin mit meinem Fahrrad, damit es wettergeschützt ist?

„Es gibt Szenen in meinem Leben, die hatte ich lieber“, seufzt sie und faltet einen Karton zu und steckt die Laschen fest. „Ich habe gerade so gar kein Land in Sicht. Es fühlt sich an, als würde ich den Rest meines Lebens in Umzügen stecken.“

Kein Land in Sicht – dieser Ausdruck bleibt in meinen Gedanken haften. Sie erinnert mich an eine alte Geschichte. Noah sitzt mit seiner Familie und vielen Tieren in seiner schwimmenden Arche. Auch hier ist kein Land in Sicht und auch er hat sich lange vorbereitet. Vielleicht hat er und seine Familie auch schmerzhafte Gefühle, all das Bekannte und Vertraute zurücklassen und in eine unbekannte Zukunft aufbrechen zu müssen. 

Er schickt einen Vogel aus, der zunächst immer und immer wieder zurückkehrt. Für den Vogel ist ebenfalls „kein Land in Sicht“, auf dem er bleiben kann. Doch irgendwann bleibt er weg. Er hat etwas gefunden und vielleicht baut auch er sich ein neues Nest auf.

Wie meine Freundin, die nun mitten in all den gepackten Kisten steht und auf Freunde und Bekannte und eine kleine Umzugsfirma wartet.

Vielleicht wird es bei ihr in diesen Tagen auch so ein Erlebnis geben, dass sie sagen kann: Jetzt habe ich es überstanden. Ich sehe Land in Sicht. Es ist nicht so wie früher, aber hier kann ich leben und glücklich werden. Ich wünsche es ihr sehr.