Spuren von Güte Gottes im eigenen Leben

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über Möglichkeiten Gott zu erfahren

Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

aus 2. Mose 33, 18–23

„Haben Sie schon einmal Gott gesehen?“, fragte mich eine Schülerin in einer meiner ersten Religionsstunden. Schlagartig wurde ich nervös. Die Frage hatte ich nicht kommen sehen. „Puuh, was antworte ich denn jetzt? So richtig gesehen habe ich Gott noch nicht. Aber ich würde sagen, dass ich ihn in meinem Leben schon erfahren habe. Aber das ist schwierig zu erklären.“, schoss es mir durch den Kopf. 

Heute werde ich nicht mehr nervös, wenn mir diese Frage gestellt wird. Ich habe sie in den letzten Jahren ein wenig für mich klären können. Dabei hat mir Moses‘ Wunsch, Gottes Herrlichkeit zu sehen“, aus 2. Mose 33, 18–23 sehr geholfen. 

Mose war schon lange eng mit Gott in Verbindung. Er hat Gott im brennenden Dornbusch gesehen. Gott hat ihm seinen Namen offenbart. Mose konnte sogar mit Gott wie mit einem Freund sprechen. 

Und dennoch wünscht er sich, Gottes Herrlichkeit zu sehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Mose mitten in der Wüste existenzielle Fragen hat. Ich glaube, dass er Gott von Angesicht zu Angesicht sehen möchte, da er gerne wissen will, wer dieser Gott ganz genau ist und wie der weitere Weg mit ihm sein wird.

Doch Gott erfüllt Moses‘ Wunsch nicht direkt. Aus gutem Grund: Denn er weiß, dass wir Menschen es nicht aushalten würden, ihn in seiner ganzen Göttlichkeit zu sehen. Das wäre zu viel für uns. Gott wäre zu groß, zu licht, zu unfassbar. Aber Gott sieht Moses‘ Bedürfnis und geht liebevoll und rücksichtsvoll darauf ein. Er sagt zu Mose: „Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen.“ Außerdem führt er weiter aus: „Du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“

Anders ausgedrückt sagt Gott zu Mose: „Ich sehe, dass du wissen möchtest, wer ich bin. Ich kann dir sagen: Ich bin liebevoll und gütig. Weil ich Gott bin, weiß ich: Mich wirklich von Angesicht zu Angesicht zu sehen, kannst du nicht ertragen. Daher begegne ich dir so, wie es für dich passend ist und dich gleichzeitig ermutigt. Ich hinterlasse Spuren von meiner Güte und meiner Liebe in deinem Leben. Erkennen kannst du die Spuren aber erst hinterher, wenn ich vorübergegangen bin. Ich kann dich nicht alles vorab wissen lassen. Aber meine Spuren zeigen dir, wer ich bin. Sie zeigen dir, dass du mir vertrauen kannst.“

Wenn mich heute jemand im Unterricht fragt „Haben Sie schon einmal Gott gesehen?“, werde ich nicht mehr nervös. Ich erzähle dann, dass ich Gott zwar noch nicht selbst gesehen, aber in meinem Leben erfahren habe. Nämlich immer dann, wenn ich in meinen Lebensrückspiegel geschaut habe und dort Spuren von Gottes Güte und Liebe erkennen konnte. 

Pfarrerin Nina Meyer zum Felde, Kissing