Balsam gegen Migration und Klimawandel

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Gloria Deysi Gómez Pérez mit Tochter. Ángel Burgos bei einer Produzentenversammlung. Fotos: Raphael Solorzano (GEPA)
Gloria Deysi Gómez Pérez mit Tochter. Ángel Burgos bei einer Produzentenversammlung. Fotos: Raphael Solorzano (GEPA)

Honig dreifach nachhaltig: Artenschutz, Absatzmärkte, Arbeitsplätze durch Fairen Handel

Er träumte vom fernen Glück: Juan Carlos Guzmán Girón aus dem ost-mexikanischen Grenzgebiet zu Guatemala, wollte vor zwei Jahren in die USA auswandern. Doch von seinen Brüdern, die bereits emigriert waren, erfuhr der 24-Jährige: Auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist nicht so leicht Geld zu verdienen: „Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, dass man hier auch etwas finden könnte.“ 

Nur was? Er brauchte ein weiteres Standbein neben dem Anbau von Kaffee in seinem Heimatdorf San Joaquín. Dann entdeckte er seine Chance in der Bienenzucht. Dabei spielt der Faire Handel, den auch die engagierte Handelsorganisation GEPA unterstützt, eine wichtige Rolle, „weil sie besser zahlen als woanders. Die Zwischenhändler bezahlen viel weniger.“ Die Fairtrade-Prämie von GEPA finanzierte nicht nur für ihn die Bienenstöcke und die erste Grundausrüstung für die Imkerei.

Unterstützung fand er durch Ángel Burgos von der Initiative „Tzeltal Tzotzil“ in dieser Provinz Chiapas. Diese Organisation heißt nach zwei indigenen Bevölkerungsgruppen in der Region. Zu ihr gehören zurzeit 88 Bio-Imkerinnen und -Imker, die meist ebenfalls Bio-Kaffee anbauen. Allerdings hat „Tzeltal Tzotzil“ bei der Produktion von nachhaltigem Honig inzwischen mit einigen Herausforderungen zu kämpfen: Etwa mit verstärkter Viehwirtschaft. Die Rinder halten das Gras kurz: Das bedeutet weniger Nektar – also weniger Honig. Und so konkurriert die Viehwirtschaft mit der Imkerei. 

Klimawandel begegnen

Dazu kommt der Klimawandel: Dadurch war die Witterung in den vergangenen Jahren sehr wechselhaft. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit hat der Honig an Qualität verloren. Auch die chemische Verschmutzung in der Region durch Dünger habe viel zur Zerstörung der Vegetation beigetragen, so Burgos. 

Er will mit einer Aufklärungskampagne die Landwirte in der Region gegen die Verschmutzung durch Dünger sensibilisieren. Der studierte Betriebswirt für Ackerbau und Viehzucht mit einer Zusatzqualifikation in lokaler Entwicklung ist in der Bergregion für die Vermarktung von Kaffee und Honig, Exportlogistik sowie Fair Trade-Zertifizierung zuständig. 

Er schult die lokalen Kaffeebauern und Imker, die nachhaltig produzieren. Die Vielfalt der Sorten von Kaffee und Honig spielt dabei eine große Rolle. Das beinhaltet den Erhalt der Traditionen, des lokalen Wissens, der Artenvielfalt – nicht als Selbstzweck, sondern gleichzeitig als Schutz von Kultur und Umwelt. 

Aber ist es für deutsche Konsumenten nicht viel nachhaltiger, vor allem Honig aus heimischer Produktion mit geringen Transportwegen zu kaufen? Schon, solange er auch biologisch hergestellt wird. Doch reiche die Produktion in Deutschland bei weitem nicht aus, um die heimischen Bedürfnisse zu befriedigen, erklärt Brigitte Frommeyer von GEPA. Dann sei faire Wirtschaft angesagt. Juan Carlos Guzmán Girón konnte so eine kleine Familie in seiner Heimat gründen. Seine Frau hilft ihm beim Kaffeeanbau, aber vor der Arbeit mit den Bienen hat sie Angst.

Frauen durch stachellose Bienenvölker gefördert

Da ist die Imkerin Gloria Deysi Gómez Pérez deutlich zupackender. Vor gut vier Jahren führte ihr Schwiegervater die 23-Jährige an die Imkerei heran. Keine Selbstverständlichkeit für eine Frau, wie sie selbst zugibt: „Denn die Frauen haben Angst davor – wegen der Stiche.“ Deshalb richtet sich die Förderung der Haltung von stachellosen Melipona-Bienen insbesondere an die Frauen. Dieser Honig lässt sich gut auf dem Inlandsmarkt absetzen.

Ihr Schwiegervater Nicolás Pérez konnte sich durch die Imkerei ein Auto leisten und sein renovierungsbedürftiges Haus instand setzen. Leider ist der Klimawandel auch an seinem Hof nicht spurlos vorbeigegangen. „Wenn die Temperatur sich verändert, heißer oder kälter wird, wenn es Hitze- oder Regenperioden gibt, trocknen die Bäume aus. Und das ist nicht gut.“ 

„Tzeltal Tzotzil“ setzt ingesamt sehr auf Schattenbewirtschaftung. Das ist nichts Illegales, sondern durch das Nutzen natürlichen Schattens trocknet der Boden nicht so aus, weil keine direkte Sonneneinstrahlung da ist. Die Pflanze ist dann nicht so gestresst. Da auch mehr Laub fällt, ist der Boden bedeckt und es wächst weniger Unkraut. Es wird mehr Feuchtigkeit konserviert. So sollen während der Blütezeit mehr Pollen und Nektar entstehen. 

Die Genossenschaft hat weitere Ideen, um den Klimawandel abzumildern: „Momentan suchen wir nach finanziellen Mitteln für eine Baumschule oder den Erwerb von Obstbäumen, um die Honigproduktion zu verbessern“, erklärt Ángel Burgos. Die Kooperative bietet den Imkern Obstbaum-Setzlinge an. 

So sind die Produzierenden besser gegen die Auswirkungen der Klimakrise gewappnet. Dadurch „erhalten wir garantierte Mindestpreise, während der lokale Markt niedrige Preise auf Genossenschaftsebene bietet“, sagt der Betriebwirt. „Wir haben unseren Imkern bessere Preise gezahlt, und das hat dazu beigetragen, die Lebensbedingungen der Familien zu verbessern.“ 

Aber die Organisation setzt nicht nur auf den Export, sondern genauso auf den Markt vor Ort. Deshalb hat sie eine lokale Honig- und Kaffee-marke geschaffen mit dem Namen „Kotantik“ Das bedeutet in der indigenen Sprache „Herz“. Denn ihr Motto lautet: „Ein einziges Herz“. 

So vereint „Tzeltal Tzotzil“ auf lokaler Ebene die drei Säulen der Nachhaltigkeit: sozial, ökologisch und ökonomisch. Burgos dazu: „Die Kooperative integriert auf sozialer Ebene alle Mitglieder auf eine Art und Weise, die Artenvielfalt schützt und umweltfreundlich ist. Auch für unsere Familien muss die wirtschaftliche Gleichung aufgehen.“

Der Betriebswirt möchte gerade jungen Menschen eine Perspektive bieten. Bereits jetzt sind zwölf Prozent der Mitglieder wie Juan Carlos Guzmán Girón und Gloria Deysi Gómez Pérez unter 35 Jahre alt. Für die älteren Mitglieder bietet die Genossenschaft an, auch deren erwachsene Kinder einzubinden. Sogar das Techniker-Team besteht aus jungen Leuten unter 35 Jahren. 

Auf diese Weise können Arbeitsplätze nachhaltig gesichert werden. Ángel Burgos ist darüber hinaus gut mit dem akademischen Nachwuchs in den Universitäten vernetzt und versucht sie, durch soziale Dienste in der Genossenschaft einzubinden.

Auch Gloria Deysis ältere Tochter, ein kleines Schulmädchen, hat keine Angst mehr vor Bienen. Sie tun ihr wenig und das Kind spielt gern in ihrer Nähe. „Ich hoffe, dass sie in meine Fußstapfen tritt, dass sie es zu etwas bringt, so wie ich – also auch Imkerin wird“, hofft die Mutter.

=>Mehr Infos von GEPA: https://www.gepa.de