Eintreten gegen Gewalt im häuslichen Umfeld

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Verschärfte Corona Gewalt in Familien?Symbolfoto: pa
Verschärfte Corona Gewalt in Familien?Symbolfoto: pa

„Im Sommer 2020 zog eine junge Frau ins Frauenhaus Fürth ein, sie floh vor massiver psychischer und körperlicher Gewalt in unser Haus.“ So berichtet eine Sozialpädagogin aus dieser Einrichtung. Und weiter: „Die junge Frau X. wünschte sich einen Ort der Ruhe und der Zuflucht.“ 

Im Frauenhaus fand sie diesen Ruhepol. „Die zurückhaltende junge Frau, die – durch die jahrelange Demütigung in ihrer Kindheit und Ehe – nur wenig an sich selbst und ihre Stärken glauben konnte, machte sich, mit Hilfe des Frauenhausnetzwerks, auf ihren ganz eigenen Weg. Sie lernte, durch die gemeinsame Aufarbeitung wieder einen Zugang zu ihren eigenen Bedürfnissen, Wünschen und ihren Grenzen zu finden.“ 

Alte Rollen überwinden

Aus bisher erlernten Handlungsmustern will auch Herr Y. aussteigen. Das in Nürnberg ansässige Angebot „Respekt!“ eine Kooperation der Stadtmission Nürnberg e. V. und dem „Treffpunkt e. V.“, geht mit ihm genau den umgekehrten Weg. Das Angebot wendet sich an die Täter – und Täterinnen. Die neue Beratungsstelle in Nürnberg ist für Mittelfranken da. Sie ist eine von 13 Einrichtungen, die es in allen bayerischen Regierungsbezirken gibt. 

Die Sozialpädagogin Susanne Scharch und der Psychologe Felix Ter-Nedden in der Fachstelle „Respekt!“ starteten gerade zu Beginn der 2. Lockdown-Welle im vergangenen Herbst eine kostenlose Beratung sowie Trainingsprogramme für bisher rund 20 Männer, die zuhause gewalttätig geworden sind. Dies umfasst 25 Gruppentermine plus zusätzlichen Einzelterminen. Sie ist für Menschen da, die Gewalt in Partnerschaft und Familie ausüben, aber dies beenden wollen. 

Gewalt kann eine Form von Hilflosigkeit sein, oft geht sie allerdings einher mit Macht und Kontrolle. So erklärt es Susanne Scharch, die zuvor Erfahrungen in der Straffälligenhilfe gesammelt hat. Und: Gerade in Stress-Situationen würden Täter in alte Verhaltensmuster zurückfallen. „Wir verurteilen die Tat, nicht den Täter“, so Scharch. Die Eskalationsspirale könne unterbrochen werden. 

Auch für Frauen soll es Angebote geben. Bis zu 20 Prozent der Gewalt in Partnerschaften geht vermutlich von Frauen aus – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch oder auch ökonomisch. Bislang hätten sich aber noch keine Täterinnen gemeldet, so Scharch. Doch die Plätze in einem Männerhaus seien bereits wegen des Bedarfs von drei auf vier erhöht worden. Dort haben Männer teils mit Kindern vor gewalttätigen Frauen Zuflucht gesucht.

Die Teilnehmer an der Trainingsgruppen werden oft von Gerichten oder Jugendämtern, die etwa Umgangsrechte zu den Kindern von diesem Präventionstraining abhängig machen, dazu motiviert. Teils kommen sie auch aus eigenem Antrieb. Vor Beginn des Trainings müssen sie eine „Gewaltverzichtserklärung“ abgeben. Bei Verstößen dagegen droht der Ausschluss aus dem Kurs – gerade, wenn sie versuchen ihren Rückfall zu verschwiegen. Diese Konsequenz war jedoch bisher noch nicht nötig.

Suche nach Förderungen

Auch die fünf Plätze im Frauenhaus Fürth reichten in den vergangenen Monaten hinten und vorne nicht, ergänzt Eva Göttlein aus dem ehrenamtlichen Vorstand des Vereins. Sie planen, ihre Plätze zu verdoppeln. Doch für diesen ehrenamtlichen Verein sei das an mehrere Fördertöpfe und Spenden gebunden. 

Vier Sozialpädagoginnen und zwei Erzieherinnen – zum Teil in Teilzeit – beschäftigt der Verein für das Frauenhaus und die angegliederten Beratungsstellen. Zehn Stunden sind für die Verwaltungsarbeit drin – plus massiven Zusatzleistungen des ehrenamtlichen Vorstandes. 25 Ehrenamtliche sind in Schichten rund um die Uhr ansprechbar, wenn es notwendig ist.

Natürlich „verschärft das Virus die Situation“, ergänzt Eva Göttlein. Da hält sie die neue Idee für sehr hilfreich, dass Frauen mit Hilfe eines Codewortes in Apotheken, beim Arztbesuche oder beim Einkaufen um Hilfe rufen können. Von einer Betroffenen weiß sie, die eine Nachbarin zu Hilfe gerufen und sich über den Balkon gerettet hätte.

Doch die Eskalation von Gewalt hat oft einen langen Vorlauf. „Geldsorgen und Enge spielen dem in die Hände.“ Eva Göttlein und ihr Team beobachten auch, dass es für Frauen in Zeiten des Lockdowns schwieriger geworden sei, der häuslichen Gewalt zu entkommen. Schließlich sei auch der Partner nun fast immer zu Hause. Hilfreiche Strategien fielen weg. Ungute Verhaltensrollen gewannen öfter an Boden.

Polizeilich registriert wurden im vergangenen Jahr bundesweit fast 160.000 Fälle häuslicher Gewalt. 2019 lag die Zahl um sechs Prozent niedriger. Gleichzeitig war es im Lockdown viel leichter, Gewalt zu kaschieren. Höchstens die Nachbarn bekamen sie mit. Die Bundesregierung plant eine Dunkelfeldstudie, um belastbarere Zahlen jenseits der aktenkundigen Fälle zu bekommen. Damit können die Hilfsstellen besser planen.

Frauenhäuser trotzten der Pandemie

Natürlich gab und gibt es bei den Beratungseinrichtungen gegen häusliche Gewalt keine Schließungen. Trotz erschwerter Kontakte zu Ämtern, die etwa nur noch telefonisch oder online erreichbar sind, trotz diffiziler Hygienekonzepte und komplizierter gewordener Aufklärungsarbeit engagierten sie sich auch während der Corona-Zeit weiter. Seit März gibt es in Bayern flächendeckend Online-Beratungen, die dem Datenschutz bei dem sensiblen Thema genügen. 

Viele Frauenhäuser wiederum mussten darum kämpfen, die gleichen Hygieneregeln wie stationäre Einrichtungen zu erhalten. Die Kinder der Frauen mussten für den Distanzunterricht ausgestattet und ihr Unterricht begleitet werden. 

Doch Zukunft findet statt: Auch Frau X. in der Zufluchtsstätte Fürth entschloss sich ihren Bildungsabschluss nachzuholen, um sich in einem technischen Beruf weiter ausbilden zu lassen. „Mit Zielen und Wünsche im Gepäck machte sich die junge Frau auf Wohnungssuche“, so ihre Beraterin. Leider war dies sehr mühsam. Der Wohnungsmarkt im Großraum Nürnberg ist gerade im bezahlbaren Bereich sehr angespannt. „Durch das tragende Netzwerk des Frauenhauses gelang es, dass die junge Frau – nach langer Zeit auf der Warteliste – ein kleines Appartement beziehen konnte. Mit ihrer Geschichte konnte sie eine betroffene Bekannte ermutigen den mutigen Schritt ins Frauenhaus zu gehen“, schließt die Beraterin.

„RESEPKT! Fachstelle Mittelfranken – Täter*innenarbeit häusliche Gewalt“ ist unter Telefon 0911/274769615 oder unter https://www.treffpunkt-nbg.de erreichbar. Das Frauenhaus Fürth unter https://frauenhaus-fuerth.de oder der Hotline 0911/729008.