Die Verbindung zwischen Himmel und Erde

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Pfingstliche Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 

aus 1. Mose 11, 1–9

Der biblische Text berichtet von einer Zeit, in der keiner mühsam eine Fremdsprache lernen muss: Alle Menschen sprechen dieselbe Sprache und können sich problemlos miteinander verständigen. So setzen sie sich eines Tages ein Ziel: Sie wollen sich einen großen Namen machen und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reicht. All ihr Tun und Streben kennt scheinbar nur noch eine Richtung: Nach oben zum Himmel, dorthin, wo Gott ist. 

Diese fixe Idee hat sich in ihren Köpfen festgesetzt. Sie schauen nicht mehr nach rechts oder nach links, nur noch nach oben. Dabei merken sie nicht: Gott war schon damals nicht nur im Himmel zu finden. Er kommt immer schon den Menschen entgegen. Er steigt zu ihnen hinab. Er begleitet sie auf ihren Wegen. Er segnet ihr Miteinander. All das gerät denen aus dem Blick, die nur noch verbissen nach oben streben. Gottes Eingreifen verändert alles, vor allem aber die Richtung ihrer Aufmerksamkeit. 

Ich stelle mir vor, wie die Menschen in Babylon plötzlich erstaunt zur Seite schauen. Sie hören die fremdklingende und völlig unverständliche Sprache des anderen. Damit waren die ersten Sprachkurse der Geschichte notwendig. Die Menschen mussten nun lernen, einander zu verstehen. Mühsam lernten sie auch Sprachen zu sprechen, die nicht ihre eigenen waren.

Eines besonderen Tages waren alle diese Mühen wie weggeblasen – im wahrsten Sinne des Wortes: Am Pfingsttag fegte der Heilige Geist alle Mühen, einander zu verstehen, weg. Menschen aus aller Herren Länder befanden sich an diesem Tag in Jerusalem. Sie alle konnten staunend sagen: „Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.“ (Apg 2,11). 

Mit den großen Taten unseres Gottes ist gemeint: Gott schafft die Verbindung zwischen Himmel und Erde – von oben nach unten und von unten nach oben. Sein Sohn Jesus Christus ist diesen Weg gegangen. Der Heilige Geist ermöglicht es, Gottes Nähe an allen Orten dieser Welt zu erleben.

Die Verbindung zwischen Himmel und Erde baut Gott selbst. Wenn wir Gott nahe sein möchten, dann sind wir oft gut beraten, lieber Brücken zu bauen: Brücken aufeinander zu. Gottes Geist gibt uns die Kraft miteinander in Kontakt zu kommen und einander von dem zu erzählen, was Sinn und Hoffnung gibt im Leben. Gottes große Taten können wir verkündigen. Er kommt uns entgegen. Er ist uns nahe mit seinem Heiligen Geist. Er schafft Verständigung zwischen Menschen verschiedener Sprachen, Kulturen und Überzeugungen. Der Weg dahin ist nach wie vor manchmal mühsam. Pfingsten ist nicht jeden Tag. Immer beginnt der Weg zur Verständigung damit, dass wir einander wahrnehmen, zuhören und so immer besser verstehen.

Pfarrerin Daniela Schmid, Stadtkirche Selb, St. Andreas

Gebet:

Heiliger Geist, Du schaffst Verbindungen über alle Grenzen hinweg. Schenk uns neu Deine Kraft, dass sie uns verstehen hilft, unseren Mut beflügelt und unsere Hoffnung groß macht. Amen.