Freude an Veränderung

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Beratungsgespräche von Pflegeberater Markus Oppel laufen sehr erfolgreich
Die Beratungsgespräche von Pflegeberater Markus Oppel laufen sehr erfolgreich per Video oder Telefon.Foto: Privat

Lebenslinien in Gottes Hand: Markus Oppel hat sich einer neuen Wirklichkeit angepasst

Das Beratungsgespräch per Video verläuft gut. Die meisten der ratsuchenden Menschen kennen den Ablauf mittlerweile. Bald wird der unabhängige Pflegeberater Markus Oppel aus Buchbrunn bei Kitzingen seinen Laptop nach einem langen Tag zuklappen. „Dann werde ich mal nach den Hasen schauen“, grinst er verschmitzt. Diese wohnen seit einiger Zeit in einer Art Hasenparadies hinter dem Haus. Gemeinsam mit seinen beiden Kindern und seiner Frau hat er ein großes Freigehege angelegt. „All das ist möglich in diesen Zeiten. Das war nicht immer so!“

Während viele selbständige Unternehmer oftmals nicht mehr wissen, wie sie sich beruflich und finanziell über Wasser halten sollen, läuft es bei ihm. „Aktuell kann ich mich vor Aufträgen kaum retten. Ich könnte 24 Stunden am Tag arbeiten, wenn ich das wollte – und es würde immer noch nicht reichen. Die Pflegeberatung ist digital geworden – zum Glück.“

Corona stellte alte Glaubenssätze infrage

Was der ausgebildete Krankenpfleger und nun als selbständig arbeitender Pflegeberater bis zum Beginn der Pandemie kannte, waren Glaubenssätze, die wie in Stein gemeißelt zu sein schienen: „Pflege hat immer vor Ort und persönlich zu sein“. Die Pandemie jedoch stellte die Welt vor sehr viel neue Herausforderungen – auch im Bereich der Pflege und der Beratungen. Neue Wege mussten her. Die Digitalisierung schien hier das Mittel der Wahl zu werden. Wobei es natürlich Bereiche gibt, bei der immer eine persönliche Anwesendheit gebraucht wird –  wie etwa eine Wohnumfeldberatung oder eine seelsorgerliche Sterbebegleitung.

Für den 38-jährige fiel der Wechsel in die digitale Welt nicht schwer. Er war schon vor der Corona-Zeit mit seiner Arbeit in den Sozialen Medien präsent und hatte zu diesem Zeitpunkt schon etliche Artikel in diversen Fachzeitschriften veröffentlicht oder sich berufspolitisch engagiert. Videoberatungen bot er innerhalb kürzester Zeit ebenso an, wie Online-Seminare zu den verschiedensten Themen der Pflegeberatung. Aus „Vorort“ wurde  ein „im Netz und per Telefon“. Allein schon aus Familieneigenschutz. Wohnt er doch mit seinen zwei pflegebedürftigen Kindern und dem kranken Vater zusammen. Jeder unnötige Außenkontakt mit der Gefahr, das Virus mit nach Hause zu bringen, vermeidet er. 

Seine Klienten wurden deshalb keineswegs vernachlässigt. Seine Rechnung ist schlicht: Die Zeit, in der er „vor Corona“ mit An- und Abreise beschäftigt war, kann er nun von zu Hause aus beraten, Online Seminare halten oder sich selbst in Seminaren gezielt Wissen aneignen. „Der Pflegeberatungsbereich profitiert enorm von diesen veränderten Ausgangsbedingungen“, weiß er. Auch die Krankenkassen, mit denen er zusammenarbeitet, erkannten nach einigen Wochen, dass die Arbeit sich verändern wird und muss, da die Pandemie offensichtlich nicht in wenigen Wochen beendet sein würde. 

Steigende Beratungszahlen mit sinkenden Kosten

Die Beratungszahlen stiegen deutlich. Denn seine Klienten erkannten den Gewinn. Auch sie  haben berechtigterweise Angst vor einer Infektion.

Ebenso sanken auch die Kosten für die Beratung durch die Ersparnis von Fahrten und möglichen Hotelübernachtungen. „Das Feld in der Pflege änderte sich quasi über Nacht“, so Oppel. „Die Pflegeberatung – die oftmals eine Art Stiefkind der Pflege war – hat sich als aufstrebender Bereich in der Pflege herausgestellt. Hier gibt es viele Möglichkeiten der Anpassungsfähigkeit an die neuen Bedingungen. Sicherlich liegt es auch an jedem selbst, diese Veränderungen mittragen zu wollen. Ich jedoch habe Freude daran und wollte Pflege und die Beratungen vorantreiben!“

Dieses Engagement und die Freude dran ist ihm sichtlich anzusehen. „Die Corona-Zeit ist eine Zeit der besonderen Herausforderungen. Mich haben sie aus einer Nischentätigkeit in den Erfolg geführt. Und auch darüber darf man reden. Dieses „Licht“ darf ich so in die Welt hineintragen. Es wird mehr denn je gebraucht!“, weiß er. 

Nebenbei gestaltete er Hygienekonzepte und stellte Material für Kirchengemeinden und Schulen zur Verfügung. Denn Oppel ist der Typ Mitarbeitender, der „kann und tut“, wenn er gebraucht wird. 

Körperliche Alarmzeichen bei zunehmenden Engagement

Doch im Sommer kam die Ernüchterung: Niemanden ist gedient mit einem Menschen, der wie eine Kerze an zwei Seiten brennt. Die Alarmzeichen an Körper und Seele – kannte er schon. Jahre zuvor war er monatelang wegen einer Erschöpfungsdepression außer Gefecht gesetzt. Durch diese Erfahrung zog er die Notbremse. 

Aus einer fast 24-stündigen Bereitschaft für seine Klienten wurden „nur noch“ 14 Stunden. Nachdem endlich alle Hygienekonzepte erstellt und alle Mitarbeiter eingewiesen worden waren, reduzierte er auch seine Ehrenämter rigoros. 

Bis ein Hilferuf eines Auftraggebers ihn in neue Abenteuer stürzte: Es wurde jemand dringend gesucht, der digitale Seminare für pflegende Angehörige hält : „Wie achte ich auf mich selbst!“. Ein Thema, dass ihm durchaus vertraut war. 

Auch sie sind ein Erfolg – denn Oppel weiß, was seine Klienten brauchen: jemand der sie ernst nimmt in ihrer Doppelbelastung zwischen Berufstätigkeit und Pflege. Der aus eigener Erfahrung weiß, dass es sein muss, sich nicht selbst zu vergessen. „Ich darf über meine Belastung sprechen und darf mir Hilfe holen. In der Pflege kann man sich schnell selbst verlieren.“ Mit Achtsamkeitstraining und Selbstfürsorge bringt er so neue Ideen in die Köpfe und auch Körper der Menschen, die seine Seminare besuchen.

Diese Arbeit, die vielen Ideen, die er umsetzten kann, das Wissen, das er weitergeben kann  – all das macht ihn zu einem zufriedenen Menschen, der mit viel Freude morgens aufsteht und eine Etage höher in sein Büro geht. 

„Angesichts dessen, was ich jeden Tag an Leid sehe und durch Covid-19 erlebe, ist es wichtig auch etwas dagegen zu halten: Ob es das ist, die Freude weiterzugeben oder andere Kollegen mitreißen zu können beim Aufbruch in eine oft noch unbekannte neue Pflegewelt. Zu seinen Klienten zählen mittlerweile auch Kinder, die an „Long Covid“ erkrankt sind. Die Belastungen und Schicksale, die er bei seinen Beratungen mitbekommt, lassen ihn nicht kalt. Doch weiß er auch: Er kann mithelfen, manche schwierige Situationen zu verbessern. 

Damit das so bleibt, ist als Ausgleich Zeit für die Familie fest eingeplant. Nicht nur die Hasen bekamen am Gartenrand ihr Paradies: nein auch die Fische haben jetzt mehr Platz im heimischen Gartenteich. „Wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch sitz, ist es super, mal die Schaufel in die Hand zu nehmen und ein Loch zu graben. Es geht im Leben ja oft darum, einen Ausgleich zu schaffen“ ,freut er sich. „Das ist wichtig!“