Springbrunnen, Lichtstrahl und Atemhauch

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Springbrunnen, der die Kraft der Meditation zeigt. Foto: Kraus

Eigene Erfahrungen bei der Teilnahme an den „Ökumenischen Alltagsexerzitien“

„Du bist da, auch wenn meine Gedanken nicht bei dir sind.“ So beginnt die erste Meditationswoche der Ökumenischen Alltagsexerzitien“. „Eigene Erfahrungen“ zu sammeln und „zur Ruhe zu kommen“: Das waren meine Ziele bei der Anmeldung. Über fünf Wochen hinweg bekomme ich jeden Werktag vom 22. Februar bis zum 26. März einen Impuls für die Meditation.

„Die Exerzitien stehen unter dem Thema: zwischenRäume. Denn bei den Alltagsexerzitien geht es darum, Gott im eigenen Umfeld zu entdecken.“ So beginnt also diese Herausforderung. Da ist dann erst einmal das Ankommen wichtig. Weiter heißt es in diesem Gebet, das die ersten fünf Tage begleitet: „Du bist da, du erfüllst jeden Raum und jeden Zwischenraum / mit deinem Dasein. / Leg diesen Tag als Geschenk in meine Hände.“

Möglichkeiten entdecken, um zur Ruhe zu kommen

Wie also lassen sich eigene Erfahrungen sammeln oder gar im Alltagsgeschehen Ruhe finden? Das fiel mir schwer im hektischen Alltagsgeschäft zwischen Homeoffice und Homeschooling meines Sohnes. Denn in der ersten Woche hatte ich dann – vor allem gegen Ende hin – mehr als gedacht zu erledigen. Und meine Gedanken schweiften schnell ab zu Unerledigtem.

Am dritten Tag bot eine Atemübung Raum, um diesen umherirrenden Gedanken zu begegnen: Sie hat die Teilnehmenden „vom Kopf in den Körper geführt“, damit sie „Spiritualität im Alltag erfahren“ konnten. Ich konnte dies auch in meine Spaziergänge und zum Skaten mitnehmen. „Du in mir“ beim Einatmen „und ich in dir“ beim Ausatmen: Das half mir, um zur Ruhe zu kommen. Da begegnete mir innerlich das Bild des Springbrunnens zum ersten Mal: Überfließendes Wasser wird aufgefangen und erneut hochgepumpt, um neue Kreise zu ziehen (siehe Foto).

Die Verbindung der Übungen mit den vier Himmelsrichtungen in der zweiten Woche hat mir dann Türen geöffnet: Gott ist mir nahe, unabhängig davon, aus welcher „Himmelsrichtung“, aus welcher Perspektive ich mein Leben betrachte. Dies findet immer neuen Nachhall.

Windrichtung des Lebens

Jede Lebenszeit fand Verbindung mit einer Windrichtung, in der mich Gottes Atemhauch erreicht: Vom Beginn des Ostens zur Fülle des Südens: „Heute bin ich aufmerksam für lichtvolle Momente“ – das sprach mich in dieser Meditationseinheit besonders an. Auch das Nachdenken über den „Tag des Heils“ fand genau jetzt Widerhall in mir.

An den folgenden Tagen ging es um das Loslassen im Westen und um die Schatten des Nordens: um den „Raum im Dunkeln“ zu begegnen. „Ich liebe die Dunkelheit, die mich heute begleitet“, so der Text, über den es zu meditieren galt. Und weiter: „Die Stille der Nacht, wenn die Töne des Tages schweigen. Das Dunkel, wenn ich die Augen schließe und mir und dem Alltag mit meinem Ausatmen eine Pause gönne.“

Doch immer gilt das Schriftwort aus Psalm 139: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Zusammen geben die Himmelsrichtungen für mich ein Ganzes: Anfangen ohne loszulassen ist auf Dauer nichts, eben so wenig wie Zeiten der Fülle ohne Zeiten des Schweigens. „Es gibt Zeiten zum Neuanfang, es gibt Zeiten, die von Dankbarkeit geprägt sind, Zeiten, die zum Loslassen herausfordern und auch Zeiten, die ich als dunkel erlebe. Manchmal kann ich dabei Gottes Nähe bewusst wahrnehmen, ein anderes Mal spüre ich sie nicht.“

Die biblische Mitte

Eine biblische Mitte schuf dann die dritte Woche: Da stand der Beginn des 4. Kapitels des 2. Korintherbriefes im Mittelpunkt: „Daher erlahmt unser Eifer nicht in dem Dienst, der uns durch Gottes Erbarmen übertragen wurde“, so begann der Text. Und weiter: „Wir haben uns von aller schimpflichen Arglist losgesagt, wir verhalten uns nicht hinterhältig und verfälschen das Wort Gottes nicht, sondern machen die Wahrheit offenbar.“ 

Da verteidigt sich der Apostel vehement gegen alle Angriffe. Und geht dann noch einen Schritt weiter: „Wenn unser Evangelium dennoch verhüllt ist, ist es nur denen verhüllt, die verloren gehen“, heißt es im Vers 5. Welch ein harter Satz gegen alle Gegner! Diesen Vers 5 markierte ich bei meiner Textarbeit mit einem dicken schwarzen Stift. So soll das mit Worten geschehen, die „mir im Augenblick nicht wichtig sind“. Na, das ist untertrieben! 

Was spricht mich an? „Aus Finsternis soll Licht aufleuchten.“ Und „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.“ Also so ähnlich wie „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Weiter zum meditativen Teil: Es geht darum, wie ich mit Erwartungen umgehe, die an mich gestellt werden. Was trage ich innerlich mit mir herum? Was wird mir zu schwer? Kann eine kleine Flamme in mir zu leuchten beginnen? Da erschien in mir wieder das Bild des Springbrunnens. Wie kann er in meinen Atemübungen Gestalt gewinnen.

Wie bin ich geliebt und angenommen – wenn der Text davon spricht, wie jemand in die Enge getrieben ist? Zum Ende soll ich einen Stein suchen und seine Kanten und Risse betrachten. Welche Seelennarben hat er? Bewahrens- und nachdenkenswert besonders ein Satz der Meditation „Wenn aus einem Standpunkt ein Chaospunkt wird, dann brauchst du einen Wendepunkt.“ 

Gottes weitet das Leben

In der 4. Woche geht es um die zunehmende Nähe Gottes: Nach 5. Mose 30,11–14 geht sein Wort „nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir“. Gott kommt uns immer näher: Er berührt mich in meiner Angst (Psalm 18,17). Wie lässt sich diesem Wort nachspüren? Da können bereits seine einzelnen Laute meditiert werden: Das „A“ erscheint als Laut der Überraschung. Das „ng“ macht die Kehle eng – und beim „st“ wird viel Luft ausgestoßen. Spannende Beobachtungen! Gott verwandelt Enge in Weite. 

Die blutflüssige, unreine Frau kommt Jesus zu nahe (Mt 9,20ff). Getaufte haben „Christus angezogen“ (Gal 3,27). „Du in mir, ich in dir“, das Meditationswort der ersten Woche war ein Bibelwort (Johannes 17,21), das nun erneut aufscheint.

Die letzte Woche rundet die Zeiten mit einem Nachdenken über die Zukunft ab. Da soll „der neue Himmel und die neue Erde“ (Off 21,1) aufscheinen: „Gott will bei uns wohnen: Es sind alte Themen, die dennoch ganz neu auf Verwirklichung drängen: „Ich achte auf das, was ich heute sehe. Kann ich etwas von Gottes neuer Welt entdecken“ hier um mich herum? Wie nehme ich diese Zusage mit in die Osterzeit und das Jahr? Schon sind die Zeiten der Besinnung fast vorbei. Kam ich nur mühsam in die Übungen hinein, so atmeten sie nun in mir – hoffentlich für längere Zeit.

=> Mehr Infos unter https://oekumenische-alltagsexerzitien.de