Schuldnerberatungen erwarten Anstieg der Beratung im Herbst
Die Ungewissheit bleibt. „Gerade Menschen, bei denen es ohnehin bereits finanziell knapp war, geraten jetzt noch mehr in Not. Aber auch jene, die bisher solide gewirtschaftet haben und gut über die Runden gekommen sind, kommen durch Corona zunehmend in Schwierigkeiten“, so Ursula Weser von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie Fürth. Und für Personen, die überschuldet sind, aber immer noch wenig Arbeitsmöglichkeiten haben, gibt es oft im Moment wenig Perspektive auf eine Besserung. Zwar läuft das Kurzarbeitergeld weiter, doch es verlagert das Problem in die Zukunft.
Kürzlich erst warnte die Diakonie Deutschland vor der Spirale steigender Überschuldung im Gefolge von Corona. Wie sieht die Lage in Bayern aus? Beispielhaft gab es dazu Gespräche mit den Schuldnerberatungen der Bayerischen Diakonie in Fürth und der Christophorus-Gesellschaft in Würzburg. Nicht nur viele Kurzarbeiter und Beschäftigte im Niedriglohnsektor, sondern auch Kleinstselbstständige, etwa im Messebau oder beim Veranstaltungsmanagement, hingen oft in der Luft.
„Die Ratsuchenden waren sehr froh, in unseren Beratungsstellen Hilfe zu erhalten“, so Weser. Immer noch ist es schwierig, bei Job-Centern oder Verwaltungen einen Beratungstermin zu erhalten. Natürlich mussten auch die Beratungsstellen beim Lockdown auf Telefon- und Online-Beratung zurückgreifen. Das war sicher für Menschen, „die sich ohnehin schwertun“, eine besondere Herausforderung – gerade bei Sprachbarrieren oder bei psychischen Problemen.
Und allein schon bei Schwerhörigkeit, ergänzt Wesers Würzburger Kollegin Nadia Fiedler, die bei der Christophorus-Gesellschaft die Schuldnerberatung leitet. Oder Senioren, die vielleicht aufgaben, wenn die Telefonleitung besetzt war. Hinzu komme noch die persönliche Zuwendung und der Aufbau von Vertrauen im persönlichen Gespräch. Und wie können Unterlagen sicher eingereicht werden?
Beide sind sich einig, dass bisherige Regelungen, wie Kurzarbeit und Stundungsmöglichkeiten, das Problem der Überschuldung nur in die Zukunft verlagern. So fordert Ursula Weser „nachhaltige Lösungen“. „Wir beobachten, dass es für die Betroffenen zunehmend schwierig wird, allein die laufenden Kosten für grundlegende Bedürfnisse, wie Strom oder Heizung decken zu können“, sagt Ursula Weser. Zu Beginn der kalten Jahreszeit stiege sowieso auch die Zahl der witterungsbedingten Kündigungen. So sehen beide Beraterinnen mit Sorge in die kühlere Jahreszeit, auch wenn die Zahl der Beratungstermine noch nicht gestiegen sei. Ursula Weser hat ausgewertet, dass die Zahl der Beratungen in den ersten neun Monaten 2019 und trotz Corona 2020 in ihrer Beratungsstelle gleich hoch war.
Auch fachspezifisch gibt es derzeit einige Änderungen. Vor der Corona-Zeit war geplant, die Zeit der Insolvenz von sechs auf drei Jahre zu verkürzen. Da gab es aufgrund einer EU-Richtlinie gesetzgeberische Bemühungen, die zum 1. Oktober greifen sollten. Das wurde allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. „Hier hängen die Beratungsstellen noch in einer Warteschleife“, so Fiedler. Sie rate Schuldnern, sich möglichst noch nicht insolvent zu erklären, da sich wohl die Regelungen verbessern sollen. Unklar sei, ob dies rückwirkend greift.
Doch Menschen, die sowieso wenig Reserven haben, wird wohl demnächst die Luft ausgehen. Bei Kleinstselbstständigen laufen die Zahlungen an die Krankenkassen und die Quartalsvorauszahlungen der Umsatzsteuern an die Finanzämter weiter. Auch manche Arbeitgeber müssen wohl zunehmend aufgeben – mit allen Folgen, die es nach sich zieht. Fiedler hoffe nur darauf, dass es keine allgemeine Spirale nach sich zieht.