Andacht: Keine Raketenwissenschaft

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.

5. Mose 30, 11–14

Die Tür muss ausgehängt werden. Sie quietscht und das nervt ganz gehörig. Beherzt gehe ich ans Werk und hebe die Tür aus den Angeln. Na gut, ich brauche zwei Anläufe. Bis es mir endlich gelingt. „Warum ist das Ding so schwer?“ geht es mir durch den Kopf. „Auf und zumachen lässt sich die Tür doch mühelos.“ Schwere Dinge leicht gemacht. Darum geht es hier. 

Der Textabschnitt aus dem 5. Buch Mose lacht mich an. Ich musste schmunzeln, als ich ihn gelesen habe. Das hätte ich mir wirklich nicht gedacht. Ich hatte schon so eine Vorstellung, als ich die Bibelstelle sah. Ohne den Text gelesen zu haben, dachte ich, das wird nicht leicht. Und ich erwog, nach einer Alternative Ausschau zu halten. 

Schließlich ahnte ich, worum es gehen könnte. Um die Gebote, die Weisungen, die Mose am Ende der langen Wüstenwanderung Gottes Volk ans Herz gelegt hat. Hier im 5. Buch Mose ein zweites Mal für eine neue Generation, die bereit war, in das Land der Verheißung zu ziehen. 

Über Gesetze zu schreiben, das könnte ein wenig trocken und theoretisch werden und ein Klang von Mahnung könnte mitschwingen.  Aber nein, dieser Text lacht mich an: „Denn das Gebot, dass ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.“ (V. 11) 

Da predigen wir doch manchmal etwas anderes in unserer evangelischen Kirche: Dass die Gebote schwer sind und lästig, ein Mühlstein an unserem Hals und überhaupt ein wenig zu viel. Wir können es ohnehin nicht schaffen, die Gebote ganz zu erfüllen. 

Aber da steht etwas, das mich schmunzeln lässt: „Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun?“ (V. 12) Da sagt Mose doch glatt vor tausenden von Jahren: Gottes Gebote zu erfüllen, ist keine Raketenwissenschaft. 

Um sie zu befolgen, muss ich nicht erst in der Lage sein, eine Rakete zu bauen, um nach den Sternen zu greifen. Was Gott geboten hat, ist keine Überforderung. Es ist lebenspraktisch und nahe. Es liegt vor mir und es ist für mich geschrieben. Es wird sich in meinem Leben zeigen, wohin es mich führt. Wenn ich seinen Weisungen folge, will es mich zum Guten, zum Glück und zum Frieden leiten.

Mose will es dem Volk leicht machen, den Weisungen Gottes zu folgen. Ähnlich, wie später Jesus, der die schweren Türen der Gesetze in die Angeln der Liebe hängt. Er zeigt damit: Es dreht sich hier alles um die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen. 

„Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.“ (V. 14). So ähnlich macht es auch Mose. Er sagt: „Tu das Naheliegende. Die Weisungen Gottes wollen euer Herz gewinnen. Tu das Gute von Herzen und nicht aus lästiger Pflicht.“ Damit es aber das Herz erfüllt, muss es immer neu aufgenommen werden. Gesagt und gehört, wird es das Herz durchströmen. Am Ende wird das, was das Herz bewegt nicht nur durch Worte hörbar, sondern auch in Taten sichtbar sein. 

Dekan Rainer Horn, Leutershausen