Andacht: Überfluss aus dem Nichts

688
Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen. Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten; denn einige sind von ferne gekommen. … Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie sprachen: Sieben. Und er nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus. Sie hatten auch einige Fische; und er sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen. Und sie aßen und wurden satt.  … Es waren aber etwa viertausend; und er ließ sie gehen.

aus Markus 8, 1–9

Wie jedes Jahr lädt uns das Erntedankfest zum Innehalten und zum Hinschauen ein! Wer unsere Erntedankgottesdienste und Kirchen besucht, bestaunt die mit Früchten aus Feld und Garten geschmückten Altäre. Die Erntegaben zeigen, dass uns auch in diesem schwierigen Jahr viel gegeben wurde. Unterschiedlich nach Regionen fiel die Ernte aus, aber wir haben – trotz mancher Befürchtungen – genug für unser tägliches Brot. Gott sei Dank!

In der biblischen Geschichte der Speisung der 4.000 halten die Jünger mit Jesus auch inne. Drei Tage harrte eine große Menge bei Jesus aus. In seiner Nähe, durch seine Worte empfingen sie Nahrung für ihre Seele und ihre Gottesbeziehung. Aber Jesus sieht immer den ganzen Menschen, den Hunger der Seele und den Hunger des Leibes. Von dieser erbarmenden Wahrheit lebten die Menschen damals, lebt unser Glaube an Jesus bis heute. Die Nöte unseres kleinen Lebens und die großen Nöte dieser Welt berühren Jesus bis in die Tiefen seines Herzens! Dazu gehören auch alle schweren und belastenden Entwicklungen der letzten Monate. Wir sind mit diesen Erfahrungen und Entbehrungen nicht auf uns allein geworfen. Unser Herr sieht das! Das Ergehen der Menschen berührt sein Herz! Er will, dass wir zum Leben haben, was wir für Körper und Seele brauchen! 

So macht Jesus Bestandsaufnahme!  Er will, dass alle bei ihm Ausharrenden satt werden und bezieht seine Jünger ein. Er fragt:  Was ist da? Augenscheinlich nicht viel für so viele Menschen! Sieben Brote und wenige Fische! Doch genau die nimmt Jesus! Er dankt Gott – und ohne, dass wir Genaueres erfahren, geschieht das Wunder: Alle werden satt. 

Für mich, nicht nur im Blick auf das Erntedankfest eine Herausforderung für Glauben und Kirche! Mit Blick auf Erntebedingungen, die Früchte auf den Feldern und im Garten, wie auch auf das Leben unserer Kirche erstellen wir regelmäßig Bestandsaufnahmen. Vielleicht auch im persönlichen Glaubensleben. Rechnen wir allein mit dem, was wir überblicken und beherrschen können? Oder trauen wir Jesus zu, über alles begreifen, entgegen allen augenscheinlichen Fakten viel mehr zu bewirken, als alle Prognosen vorhersagen? Rechnen wir mit dem Schöpfer der Welt und seinen Möglichkeiten in der wunderbaren Natur?  Rechnen wir mit dem Herrn der Kirche und der Kraft des Heiligen Geistes im Leben unserer Kirche, unserer Gemeinden und im eigenen Glaubensleben?

Fragen, auf die jede und jeder seine eigene Antwort finden muss! Am Ende unserer biblischen Geschichte haben vermutlich alle gestaunt: Trotz weniger Gaben blieben am Ende noch sieben Körbe mit Brocken! Diesen Gott, der aus fast nichts noch Überfluss entstehen lässt, feiern wir am Erntedankfest!

Dekan Hans Stiegler, Ansbach, Vize-Synodalpräsident

Lied 324:

Ich singe dir mit Herz und Mund