Andacht: Jesus sieht den Menschen

1121
Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm. Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden und sprach zu ihm: Geh zu dem Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.  

Johannes 9, 1–7

Das erste Mal sehen. Licht. Farben. Andere Menschen. Blumen.  Ein Blinder bekommt das Augenlicht geschenkt. Er ist überwältigt von den neuen Eindrücken und Bildern. Kinder und Erwachsene, die etliches durchmachen mussten an Untersuchungen und Operationen, können durch moderne Medizin und Hilfsmittel endlich sehen. Es gibt wunderschöne Berichte und Filmsequenzen von der Freude des endlich Sehen Könnens. Den normal Sehenden ist es oft gar nicht bewusst, welche Gnade es ist, die Welt mit gesunden Augen betrachten zu dürfen:  Die Hortensie im Garten, den glitzernden Tautropfen am Wegrand, die Sonnenblume an der Garage, die von Vögeln gesät wurde.  Wir sehen all das oft nur im Vorübergehen ohne es wirklich anzuschauen. Anderes, vermeintlich wichtigeres beschäftigt uns, so dass wir keine Augen haben für das Schöne, die Schöpfung oder auch die Liebenswürdigkeiten um uns her: Die schön aufgeräumte Küche nach dem Mittagessen am Sonntag oder die Hilfe durch den Nachbarn, der mal wieder auf die Jungs aufpasste oder den guten Kuchen von Oma, der wie selbstverständlich am Nachmittag auf dem Tisch steht. Freundlichkeiten, die unser Leben hell und liebenswert machen. 

Die ganze Welt will Jesus hell und licht machen. Licht bringt Klarheit ins Dunkel. So ist es nur konsequent, dass Jesus, der Sohn Gottes auch Blindheit und jede Krankheit, die das Leben einschränkt heilen kann. Die Blindheit gegenüber Gott will er heilen, dazu ist die Heilung des Blindgeborenen, damals eine schier unmögliche medizinische Leistung, ein Zeichen. Zunächst fragen die Jünger, ob die Blindheit eine Strafe für eine begangene Sünde ist. Jesus verneint das. An dem Blinden soll ein Zeichen geschehen, damit die Menschen verstehen, wer Jesus ist: Das Licht der Welt, der Sohn Gottes, der die Welt hell macht und den Himmel öffnet. Das Licht der Welt scheint in die dunkelsten Ecken. Jesus sieht, wo die Not groß ist. Jesus sieht den Menschen, der ihn braucht im Vorübergehen. Das ist eine tröstliche Notiz, scheinbar am Rande und doch genau gesetzt. 

Jesus sieht den Menschen, den andere achtlos links liegenlassen. Jesus sieht das Elend und packt an, wo er gebraucht wird. Wer denkt, ich bin doch ganz vergessen, ich bin doch viel zu unbedeutend, dass Jesus mit mir zu tun haben mag, der wird hier zum Umdenken gebracht. Das Licht der Welt gilt allen, die sich danach sehnen und sich bescheinen lassen.

Pfarrerin Susanne Memminger, Bayreuth-Laineck

Lied 539:

Mache dich auf und werde

Gebet:

Herr, schenke uns Augen für dich, dass wir deine Güte und Gnade erfahren und leben. Amen.