Editorial: Gott antwortet, indem er uns neue Sehweisen schenkt

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„Sprechen Sie mit einem Baum!“, lautete die Arbeitsaufgabe im Predigerseminar zum Thema Gebet. Ich fand damals, als Vikar vor 25 Jahren, diese Arbeitsstellung äußerst merkwürdig. Die Idee dahinter war vermutlich, die Erfahrung zu machen, dass ein Gebet wie eine Einbahnstraße ist. Man spricht, bekommt aber keine Antwort. Ich hatte mir einen riesigen Ahorn im Garten des Predigerseminars in Nürnberg ausgesucht. Bei dem Erfahrungsbericht in der Runde der Mit-Vikare machte ich mir den Spaß daraus, als Rückmeldung zu sagen, „Ich habe einen arroganten Ahorn erwischt. Der hatte es wohl nicht nötig zu antworten!“

Nein, das entspricht nicht meiner Einstellung zum Gebet. Ganz und gar nicht. Auch wenn ich keine Stimme als Antwort höre, wie in den alten Don Camillo-Filmen, empfinde ich Gott nicht als stumm, schon gar nicht als arrogant.

Die Don Camillo-Filme sind sicher nicht als theologische Hilfestellung gedacht gewesen. Und doch haben sie in meiner Kindheit und Jugend meine Einstellung zum Gebet mehr geprägt, als später die missglückte Einheit im Predigerseminar. Denn Christus erfüllt im Film dem Camillo nicht einfach seine Wünsche. Im Gegenteil, er kritisiert Camillo stark in dem was der denkt und tut. Nicht nur einmal muss der streitbare Priester erkennen, dass er auf dem Holzweg ist. Im Gespräch mit Christus ändert er seine Einstellung. Er lernt Dinge neu zu sehen.

Das ist bei weitem nicht alles, was ein Gebet vermag. Aber für mich ist das ein wichtiger Aspekt. Im Gebet bekomme ich mitunter eine Antwort auf meine Fragen, meine Bitten, mein Hoffen im Sinne von einem Gedanken, der mich weiterbringt. 

Heute ist der Sonntag „Rogate“, „Betet“. Im Mittelteil dieser Ausgabe des Sonntagsblattes finden Sie Artikel zum Thema „Gebet“ mit verschiedenen Gedanken dazu. 

Ein Gebet ist sicherlich keine Münze, die man einwirft in einen Automaten und es kommt eine Wunscherfüllung heraus. Aber ein Gebet ist auch viel mehr als nur  eine Bitte ins Leere gesprochen. 

Das Gebet ist der Ort der christlichen Hoffnung, dass Gott mein Gebet erhört. Ein Gebet ist der Platz, wo der Wunsch Raum findet, dass Gott in mein Leben, in das Geschehen der Welt eingreift. Und auch wenn der Lauf der Welt oft suggerieren mag, dass dem nicht so ist, mein Gespräch mit Gott bleibt für mich nicht eine Einbahnstraße. Denn oft genug bekomme ich eine Antwort.