Osterfreude hinter verschlossenen Türen

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Inge Wollschläger im Editorial für das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern

„Ruhet wohl und bringt auch mich zur Ruh!“, singt der Chor am Ende der Johannispassion von Johann Sebastian Bach.

Nie war der Text wahrer als in diesen Tagen. Alle sind „zur Ruhe gebracht“. Kirchenglocken schweigen, Gottesdienste sind ausgesetzt und verlagern sich ins Fernsehen oder in Soziale Netzwerke. Nichts ist so, wie wir es kennen. Selbst Diskussionen um ein Tanzverbot an Karfreitag wird es in diesem Jahr nicht geben. Es herrscht Karfreitagsruhe für eine ganze Gesellschaft. Zumindest für fast alle: Macht man derzeit Türen und Fenster auf, scheint es, als wären draußen mehr Vögel unterwegs und bezwitscherten den Frühling mehr, als je zuvor. Oder liegt es daran, dass alle störenden Geräusche schweigen? Kein Straßenlärm, keine Flugzeu ge, keine miteinander plaudernden Menschen?

Dieses Jahr wird der Osterruf „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden – Halleluja“ in einer anderen, neuen Form erklingen müssen. Nicht von Kirchenbanknachbar zu Kirchenbanknachbar – aber vielleicht von Telefon zu Telefon. Von Postkarte zu Postkarte. Ein Ostergruß über Soziale Netzwerke und deren vielzählige Dienste.

Auch ein Osterfeuer wird es nicht geben –aber vielleicht dafür ein Feuer der Auferstehungsbotschaft, welches in uns selbst wieder angezündet wurde. Ich persönlich erlebe diese Zeit so, dass ich trotz all dem Abstand, den es braucht, noch nie so eng mit vielen Menschen verbunden war.

Als Seniorenreferentin der Gemeinde schreibe ich derzeit viele, viele Briefe an „meine“ Seniorinnen und Senioren. Auch die Osterbotschaft wird so verschickt werden – zusätzlich zu vielen Telefonaten.

Das ist für mich die Osterbotschaft in diesem Jahr: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden, in dem er uns neue Wege denken lässt. „Kirche“ war für mich selten spannender als dieser Tage. Jetzt, wo keiner mehr kommen darf, müssen wir als Gläubige, als „Kirche“, zu den Menschen gehen. Sich neu miteinander verbinden und vernetzen. Das gelingt sehr oft und sehr gut – wie wir auch hier im Sonntagsblatt lesen.

Von Woche zu Woche lernen wir alle dazu, es werden Ideen geteilt und ausgebaut.
Hinter den derzeit geschlossenen Türen ist viel Raum für den auferstanden Christus.