Digitale Verbundenheit

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Abendmahl in New York unter Quarantäne. Foto: Groß
Abendmahl in New York unter Quarantäne. Foto: Groß

Deutsche Gemeinde in New York geht in Krisenzeiten neue Wege der Gemeinschaft

Unsere Autorin Miriam Groß ist Pfarrerin der bayerischen Landeskirche, im Dienst bei der deutschen Gemeinde St. Pauls in New York. Durch ihre Andachten, aber vor allem auch Berichte aus der US-Metropole ist sie im Sonntagsblatt immer wieder präsent. In einer kleinen Serie berichtet sie nun vom Alltag in der Krise.


In New York hat sich unser Alltag auf den Kopf gedreht. Während ich diese Zeilen schreibe, hat sich die Metropolregion New York zum Krisengebiet entwickelt. Ein Messegelände, eine Stadthalle und universitäre Gebäude werden nun durch die Hilfe des Militärs in vier Notkrankenhäuser umgebaut. Gleichzeitig bereitet sich die Megametropole nicht nur auf die Kranken vor, sondern auf die miteinhergehenden Todesfälle, die zu erwarten sind.

New York gleicht einer Geisterstadt. Der gewöhnliche Strom an Pendlern aus den umliegenden Vorstädten ist aufgrund des erlassenen Beschäftigungsverbotes nicht essentieller Arbeitnehmer sowie des gebotenen „Social Distancing“ ausgetrocknet.
Auch unser Kirchengebäude ist aufgrund von COVID-19 im Moment nicht benutzt. Gesprächsgruppen und Kreise, Gottesdienste und Andachten, Konfirmandenarbeit und Kindergruppen, die dieses Gebäude als Zentralpunkt nutzten, wurden über Nacht heimatlos.

Da die Mitglieder von St. Pauls über die drei US-amerikanischen Bundesstaaten New York, New Jersey und Connecticut verstreut sind, musste unsere kleine deutschsprachige Gemeinde schon geraume Zeit ungewohnte Wege gehen: Zur Teilnahme an Kirchenvorstandssitzungen können sich Mitglieder via der digitalen Meetingplattform Zoom einwählen. Weiterhin bieten wir seit Herbst 2019 einen digitalen Konfirmandenunterricht.

Die Idee entsprang einer Anfrage mehrerer weiter entfernt lebender Familien, die zwar für den sonntäglichen Gottesdienst eine Anfahrt von eineinhalb oder zwei Stunden nicht scheuen, diese Distanz aber unter der Woche nicht auf sich nehmen können. Daher entschloss sich der Kirchenrat zum Schritt des digitalen Konfirmandenunterrichtes für weiter weg lebende Gemeindeglieder.

Digitale Meetings lassen auch für andere Anlässe, wie Traugespräche mit Paaren in Deutschland oder vertrauliche Seelsorgegespräche die Meilen zwischen mir und den Beteiligten schmelzen.

So traf mich mit dem Ausbruch der Pandemie die digitale Umstellung von vielen Bereichen unserer Kirchengemeinde nicht ganz so hart. Dafür war es mir möglich, mein Wissen Dank eines Engagements von Christian Sterzik, Leiter der EKD-Stabsstelle, Digitalisierung in den zwei Webinaren „Konfi-Digital“ und „Digitale Rituale auf dem Weg nach Ostern“ weiterzugeben. Zahlreiche andere Christinnen und Christen haben ebenso tolle Ideen für eine Aktivität der Kirchengemeinden im Netz anderen vorgestellt, die von Kirchenmusik über Spiritualität bis hin zu Konfirmanden-Apps reichten.

In diesen Zeiten müssen neue, unbekannte Wege gegangen werden, so wie wir in St. Pauls in dieser Zeit das erste Mal eine „Online-Agapefeier“ angeboten haben. Diese Feier entsprang einem seelsorgerlichen Bedürfnis von Gemeindegliedern nach einer Abendmahlsfeier, die ihnen Gottes Nähe durch Brot und Wein und die Gemeinschaft untereinander schenkt. Bei einer Agapefeier steht die Betonung der Gemeinschaft im Vordergrund. In der Ökumenischen Bewegung ist dieses Mahl schon länger ein wichtiges Brückenelement.

Wachhalten der Sehnsucht

Die „Online-Agape“ ist ausdrücklich kein sakramentales gemeinsames Mahl. Sie wird in der Ökumenischen Bewegung als Feier der Verbundenheit der getrennten Gemeinden in Christus, als Ausblick auf die eucharistische Gemeinschaft, als Wachhalten der Sehnsucht nach der Mahlgemeinschaft, als Aushalten des Noch-Nicht durchgeführt. In einer solchen Zwischenzeit befinden auch wir uns durch die gegenwärtig erlebte Pandemie. Es braucht solche Rituale, die uns helfen diese Spannung zwischen der notwendigen Trennung und der Sehnsucht zueinander auszuhalten. Durch Gottes Wort und die digital hergestellte Nähe können wir getröstet sein.

Es ist eine herausfordernde Zeit für uns alle, in der sich das soziale Leben in einer nicht vorhersehbaren Weise in rasender Geschwindigkeit verändert hat. Aufgrund der Situation muss die ganze Pfarrfamilie mit anpacken, damit YouTube-Gottesdienst, digitale Abendandacht & Co. mit kleinster Besetzung und geringen technischen und finanziellen Mitteln gelingen kann.

In dieser Zeit bin ich dann besonders dankbar um kleine Nachrichten und Menschen, die an uns denken und für uns beten. Denn ein Pfarrer und eine Pfarrerin kann nur so stark sein, wie die Gemeinschaft, die auch sie und ihre Liebsten als Teil ihrer trägt.


Pfarrerin Miriam Groß