Siebenbürger Gäste berichten von ihrer Lage zum Auftakt der Fastenaktion in Neumarkt
Es sind beschauliche Bilder, die zu Herzen gehen: Der Pferdepflug auf dem Feld, Schafe und Schweine mit ihrem Nachwuchs bevölkern den Hof. In einer Ecke sitzen Frauen, die miteinander Erbsen pulen. Senioren mit Weste und Hut, die den Feierabend auf der Bank am Haus genießen. Doch sind es nicht Szenen, einer guten alten Zeit oder einem Heimatfilm entsprungen – sondern Gegenwart. Erst beim näheren Hinsehen springt ein Detail ins Auge: Die Feldarbeiter und die Frauen sind alt, sehr alt. Denn es sind Szenen aus einem Seniorenheim: Aus dem Altenheim Hetzeldorf bei Mediasch im rumänischen Siebenbürgen.
Fünf oder sechs der 30 Senioren arbeiten noch regelmäßig auf dem Feld, so Ursula Juga-Pintican. Die Vorsitzende des Diakonievereins Mediasch ist „wenigstens einmal die Woche“ im rund sieben Kilometer entfernten Hetzeldorf zu finden. Das Altenheim dort liegt ihr besonders am Herzen. Doch jetzt, am zweiten Wochenende der Passionszeit, kam sie nach Neumarkt in die Oberpfalz.
Sie war Teil der etwa 50-köpfigen Delegation um Bischof Reinhart Guib. Das Oberhaupt der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien mit deutlichem Schwerpunkt in Siebenbürgen eröffnete zusammen mit dem Münchner Oberkirchenrat Michael Martin in diesem Jahr die bayerische Fastenaktion „Füreinander einstehen in Europa“. Mit 10.000 Kirchenmitgliedern betreut sie etwa 70 diakonische Projekte. Die Spende kommt in diesem Jahr den Altenheimen Hetzeldorf und daneben auch in Schweischer zugute.
Neben Ursula Juga-Pintican saß in Neumarkt Jenö Banyai. Er ist mehr als nur Heimleiter in Hetzeldorf: Als Traktorfahrer, dem es neben den Pferdegespannen durchaus vor Ort gibt, kommt ihm eine tragende Rolle vor Ort zu. „Und als Seelsorger“, ergänzt Juga-Pintican. Der Pfarrer aus Mediasch könne nur noch jeden zweiten Sonntag kommen.
15 Hektar Land, die nach der Wende an die Kirche oder auch an Privatpersonen zurückgegeben wurden, bewirtschaftet das Altenheim. Auch die Pflegekräfte vor Ort müssen auf dem Feld, im Garten oder Stall mithelfen: Mit Kürbissen und Kartoffeln, mit Gemüse, Zwiebeln Obst und einer Anzahl von Tieren versorgt es sich praktisch selbst.
Etwa 20 Prozent der Einnahmen erwirtschafte das Altenheim auf diese Weise selbst. Denn von den 30 Bewohnern können nur acht ihren Heimplatz bezahlen. Und dies, obwohl dafür für deutsche Verhältnisse nur paradiesische 500 Euro pro Monat notwendig sind. Weitere zehn Senioren können etwa die Hälfte der Kosten ihres Heimplatzes bezahlen. Denn die Mindestrente in Rumänien liegt bei umgerechnet etwa 150 Euro, der Sozialhilfesatz nur bei umgerechnet 30 Euro pro Monat. „Gerade Menschen aus der Landwirtschaft bekommen eher weniger Rente“, so Ursula Juga-Pintican.
Auch wenn die Bewohner des Altenheims Hetzeldorf noch so auf dem Feld ackern – es ist dennoch zu rund einem Drittel der laufenden Ausgaben auf Spenden angewiesen. Auch wenn zur Diakonie Mediasch auch eine Schreinerei gehört, die kleinere Arbeiten im Heim erledigen kann: Es muss dringend die Wasser- und Elektroinstallation erneuert werden. Hinzu kommen neue Brandschutz-Auflagen, die für den Weiterbetrieb unabdingbar sind.
Im Alten- und Pflegeheim Schweischer bei Kronstadt zogen vor 20 Jahren Seniorinnen und Senioren ein, die nach der Auswanderungswelle Richtung Deutschland allein zurück geblieben waren. Dort leben zurzeit 30 Personen. Auch hier kann jede und jeder im Rahmen der Möglichkeiten im Haus oder auf dem Hof mitarbeiten.
Für viele Seniorinnen ist die tägliche Handarbeit nicht nur eine Beschäftigungsmöglichkeit, sondern auch ein kleiner Beitrag zum Unterhalt des Heims. Auch hier tragen die Unterhaltszahlungen, die ebenfalls nur wenige bezahlen können, nur einen kleinen Teil der Kosten. Für viele Senioren dort ist es neben der körperlichen Fürsorge und Versorgung wichtig, einen geregelten Tagesablauf zu bekommen und einen würdigen Lebensabend zu erhalten.
Denn Abwanderung ist immer noch ein Problem vor Ort – gerade von Menschen, die auch Deutsch sprechen. Etwa ein Drittel der Schulabgänger des Gymnasiums in Siebenbürgen wandert ab, weiß Bischof Reinhart Guib. „Ein weiteres Drittel geht nach Bukarest oder in die großen Städte. Nur der Rest bleibt.“ Ein Viertel der rund 20 Millionen Rumänen lebt sowieso schon im meist westeuropäischen Ausland. Nicht gerechnet die Siebenbürger Sachsen, die bereits seit 1989 nach Deutschland gegangen sind.
Alter hat auch in Rumänien viele Gesichter – gerade wenn es in Würde geschieht. „Alt sein lässt sich nicht unter einem Hut fassen“, so brachte die Neumarkter Dekanin Christiane Murner die vielfältigen Eindrücke zusammen. Aber zu einem „Würdigen Leben im Alter“ gehöre dennoch neben der inneren Einstellung und Netzwerken, die Unterstützung geben, auch Geld.
Kirchenrat Stefan Cosoroala aus Hermannstadt wies auf einen alten Herrn in einem weiteren Altenheim der Region, in Scholten, hin, der sich nicht ohne seinen Hut fotografieren lassen wollte. „Er wuchs damit gleich zehn Zentimeter.“ Wichtig war ihm auch das Porträt seiner früh verstorbenen Frau, das mit aufs Bild sollte. „Das repräsentierte ihn und ließ ihn als Menschen sehen in der „internationalen Sprache der Liebe“. So konnte das Altenheim Schweischer neben vielen Beerdigungen kürzlich sogar eine Hochzeit feiern: Ein 93-Jähriger begann ein neues Leben mit einer 85-Jährigen.
Spenden können Sie auch direkt bei Ihrem Pfarramt abgeben oder überweisen auf das Spendenkonto der Ev.-Luth. Kirche in Bayern: Evangelische Bank eG, IBAN DE51 5206 0410 0001 0010 00, BIC GENODEF1EK1.