Editorial: Mit Jesu Schub im Rücken

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Inge Wollschläger, Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern
Inge Wollschläger, Mitglied der Redaktionskonferenz im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern, Hintergrundbild von Erich Kraus.

„Na – bist du wieder mit der Kraft Jesu unterwegs?“, fragt mich der Kollege und grinst mich an.

Eben bin ich mit meinem E-Bike bei unserer Verabredung angekommen und steige vom Fahrrad. „Willst du auch mal?“, frage ich zurück. Und schon sitzt er auf meinem Rad und ist bald in der Ferne verschwunden.

Längere Zeit hatten Freunde von ihren Pedelec – so der Fachbegriff – geschwärmt und mich überzeugt, dass nun eben solch ein Fahrzeug in meinem Haushalt Einzug gehalten hat. Die Motorunterstützung ist dabei abhängig von der Tretleistung und nur gegeben, wenn die Pedale sich drehen. Draufsetzten und losfahren – wie bei einem Mofa – ist also nicht. Man muss schon selber aktiv werden. In der Gegend, in der ich wohne, gibt es jede Menge kleiner Hügel und viele steile Anstiege. Da ist es ein Segen, wenn man durch den zuschaltbaren Motor nicht durchgeschwitzt und völlig erschöpft zum nächsten Termin erscheint.

Als ich das erste Mal zur Probefahrt auf so einem Fahrrad saß, fiel mir ein Bilderbuch meiner Kindheit ein. Es handelte davon, dass alle Kinder zu Jesus kommen dürfen. In verschiedenen Alltagssituationen stand er – versehen mit einem Heiligenschein zur besseren Sichtbarkeit – zwischen vielen Kindern. Auf einem dieser Bilder stand er neben einem Kind, dass offensichtlich das erste Mal auf einem Fahrrad saß. Jesus legt dem Kind seine Hand auf den Rücken. Stütze und Sicherheit zugleich. Und vielleicht auch ein kleiner Stubs, damit die Räder losrollen können.

Genauso fühlte es sich an, als ich bei der ersten Fahrt die elektronische Unterstützung zuschaltete: Als würde Jesus hinter mir stehen, und mich sanft anschieben.

Natürlich bin ich mittlerweile kein Kind mehr. Mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten bin ich vertraut. Und dennoch: Ein bisschen Kinderglauben und staunen schadet in unserer Welt keinesfalls. Für Wunder gibt es viel zu wenig Platz.

„Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen“ (Mt 18, 3).

Fahre ich mit meinem Rad und spüre Jesu Hand im Rücken, taugt mir das viel mehr, als physikalische Gesetze herzuleiten oder realistisch zu sein.