Andacht: „Fürchte dich nicht!“

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune, die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden … Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

aus Offenbarung 1,9–18

Er war ein bedeutender Mann des frühen Christentums. Dann wurde er auf die Insel Patmos verbannt, fern von allen und allem, was ihm in seinem Leben wichtig war. Wie es ihm erging? Das wissen wir nicht von Johannes; davon schreibt er nichts.

Er schreibt von einer überwältigenden Vision, die ihm zuteil wurde. Er hört eine Stimme, die ihm einen Auftrag gibt. Mehr als verständlich, dass er neugierig ist und sich umdreht. Und was er dann sieht, ist so überwältigend, dass es ihm die Beine unter dem Leib wegzieht, es – flapsig formuliert – haut ihn um. Seine Beschreibung ist eigentlich eher wirr, wer versucht, nach dieser Beschreibung zu malen, hat sicherlich große Schwierigkeiten. Viele verschiedene Bilder benutzt Johannes, um das Großartige, das eigentlich Unfassbare für uns in Worte zu fassen: Christus selbst, Gottes Sohn spricht zu ihm!

Und Christus nimmt Beziehung zu ihm auf, ganz nahe kommt er ihm. Er spricht nicht nur zu ihm, er berührt ihn. Intensiver kann eine Kontaktaufnahme kaum sein. Noch mehr: Christus erscheint ihm nicht nur, er spricht nicht nur zu ihm, er stellt sich auf vor: als Einzigartiger, der sämtliche bekannten Götter der griechischen Umwelt überragt. Er strahlt wie der griechische Gott Helios, der Sonnengott, der den Tod beherrscht und er hält den Schlüssel der Unterwelt, wie der griechische Gott Hades. Darüber hinaus sagt er jedoch von sich „ich war tot und siehe ich bin lebendig“; damit hat Christus die Macht des Todes gebrochen, was kein anderer Gott der griechischen Umwelt von sich sagen kann.

Trotz all dieser unfassbaren Machtfülle sagt Christus zu Johannes: „Fürchte dich nicht!“
Dies ist die Grundlage der Beziehung zwischen Mensch und Gott. „Fürchte dich nicht! Bei jeder Aufgabe, die uns im Leben gestellt wird, bei jedem Scheitern, das wir erleiden: „fürchte dich nicht!“ Gott, der die Zeit, Leben und Tod beherrscht, wendet sich dem Einzelnen zu.

Nichts unterscheidet uns von Johannes, der in der Verbannung leben musste. Vielleicht – eher wahrscheinlich – haben wir nicht Visionen wie er, aber er selbst sagt, er sei Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus. Die Taufe verbindet uns über Zeit und Raum hinweg mit ihm und vielmehr noch mit Christus. Deshalb, in allem was geschieht: Fürchte Dich nicht! Damit lässt sich’s leben und sterben. 

Pfarrerin Carola Wagner, Mering.

Gebet:

Du unser Gott, Du bist groß, gewaltig, unfassbar! Und doch kommst Du zu mir in meiner Angst, meiner Unsicherheit, meinen Fragen. Dein „Fürchte Dich nicht!“ richtet mich auf, lässt mich den Kopf erheben. Die Welt erscheint im hellen Licht und ich gehe getrost meinen Weg – mit Dir. Amen.

Lied 379:

Gott wohnt in einem Lichte