Editorial: Vertrauen wagen

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Inge Wollschläger, Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern
Inge Wollschläger, Mitglied der Redaktionskonferenz im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern, Hintergrundbild von Erich Kraus.

„Was für ein Fortschritt!“, sagt mein Mitfahrer und ist schwer beeindruckt, als mein Auto wie von Geisterhand selbstständig einparkt. Ein Knopfdruck genügt und das Auto steuert selbst: Es sucht am Wegesrand nach einer passenden Parkplatzlücke. Dann erklingt ein Signalton und die Auffor­derung, ab jetzt Vertrauen zu haben.

So steht es natürlich nicht auf der Anzeige. Dort steht, dass ab nun der Autoassistent übernimmt und ich bitte meine Hände vom Lenkrad nehmen möge sowie den Aufforderungen Folge leisten soll. Rückwärtsgang und sachte Gas geben. Freihändig. Nichts anfassen!

Als ich diese Assistenzeinparkfunktion das erste Mal ausprobierte, war ich anschließend so verschwitzt, als hätte ich in die kleinste Lücke der Welt mit verbundenen Augen einparken müssen.

„Aber das ist doch toll, was die moderne Technik alles hinbekommt! Du musst halt nur ein wenig Vertrauen haben!“, freut sich mein Mitfahrer.

Vertrauen – das sagt sich immer so einfach. „Wenn du jemandem voll und ganz vertraust, bekommst du entweder einen Freund oder eine Lektion fürs Leben“, heißt es. Klar. Vertrauen ist wichtig für unser Leben. Beständiges Misstrauen kann uns bis tiefst ins Innerste zerrütten.

In über 30 Jahren Praxis habe ich durchaus einparken gelernt. Nötig hätte ich diese Hilfe also nicht unbedingt. Ich weiß mittlerweile aber auch, dass – wenn ich mich für „das Vertrauen“ entschieden habe – Parklücken ansteuere, an denen ich sonst vorbeigefahren wäre. Und dass ich nun den Assistenten aktivieren kann und ich kinderleicht manövriert werde. Besser als ich es unter erschwerten Bedingungen könnte – das muss ich ehrlicherweise zugeben.

Es braucht Vertrauen in die Technik, in Menschen und auch in Gott. Gut – Technik kann durchaus am Menschen scheitern. Und auch Menschen und Beziehungen sind „störanfällig“. Aber es gibt etwas, das „größer“ ist als wir selbst. Gott steht über allem – wenn wir an ihn glauben und ihm vertrauen. In Jesaja 40, 31 wird uns zugesprochen: „Die auf den Herrn vertrauen, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“

Der Wagen lehrt es mich bei jedem Einparken: Lass los und vertraue.