Andacht: Wie ein Brunnen

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Dies ist das Wort, das der Herr zu Jeremia sagte über die große Dürre: Die Großen schicken ihre Diener nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter. Die Erde ist rissig, weil es nicht regnet auf das Land. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter. Ach, Herr, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben. Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. 

aus Jeremia 14, 1.3–4.7–9

Ohne Wasser können wir nicht leben. Allerdings haben mehr als unvorstellbare zwei Milliarden Menschen keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser! Sie müssen anstrengende Wege auf sich nehmen, um zu einem Brunnen zu gelangen. Selbst wenn sie dort verdrecktes Wasser finden, schöpfen sie es. Vielleicht gibt es sogar eine nähere, sicherere Wasserstelle, aber die gehört dann manchmal einem Unternehmen, das das Wasser teuer verkauft. Wegen dieser Missstände haben die Vereinten Nationen vor zehn Jahren das Recht auf Wasser als Menschenrecht anerkannt: Kein bloßes Wirtschaftsgut soll es sein, sondern ein Grundnahrungsmittel, das nachhaltig gewonnen, verwendet und gerecht verteilt werden muss!

Daran denke ich, wenn ich bei Jeremia von der katastrophalen Dürre lese, die die Gegend im heutigen Israel ergreift. Jeremia sieht die Ursache der Katastrophe bei den Menschen. Sie haben mit ihrer Vielgötterei Gott erzürnt und die Dürre verursacht.

Jeremia kann sich auf göttlichen Auftrag berufen, in der Hoffnung, Gehör zu finden. Gott ist eine Macht, mit der seine Zeitgenossen rechnen. Der Gott der Propheten zürnt, droht und straft, kann aber auch besänftigt und umgestimmt werden. Dieses Denken ist uns heute fremd. Wissenschaftler und Rückversicherer berufen sich jedenfalls nicht auf Gott, wenn sie einen menschlich verstärkten Klimawandel erkennen und beispielsweise manche Dürren darauf zurückführen. Nicht weniger verdienen ihre Analysen Beachtung oder die Mahnungen vieler um die Zukunft besorgter Jugendlicher. Es ist überlebenswichtig, wenn Menschen wahrnehmen, dass sie in einer Gefahr stecken. Und gefährlich, wenn sie die Notsituation ignorieren. Als Mensch muss ich Gefahren und mein Handeln richtig einschätzen können. Die Vernunft gebietet es, zu tun, was ich tun kann.

Als Christ vertraue ich aber nicht nur auf die von Gott gegebene Vernunft, sondern weiterhin auch auf seine Macht und Hilfe. Ohne diesen Glauben würde ich bald kraftlos werden und irgendwann verzweifeln, das spüre ich. Und dabei ist es meistens ja noch nicht mal die eine große Befürchtung, die ich habe oder die Lebensdürre, in der ich stecke. Häufiger belasten mich die vielen kleineren, täglichen Sorgen und Konflikte. Nicht alles gelingt mir, wie ich es gerne hätte, manches mache ich falsch. Aber von Jeremia höre ich: Wenn uns „unsere Sünden verklagen“, ist Gott ja doch unter uns als Tröster und Nothelfer.

Gott ist in unserer Mitte. Mit Christus, dem „lebendigen Wasser“, öffnet er sich mir wie ein Brunnen aus dem ich immer schöpfen kann und aus dem Mut zum Handeln sprudelt. Seine Liebe versiegt nicht, sondern fließt weiter. Unabhängig von meinem Vermögen und Gelingen.

Pfarrer Michael Simonsen, Poing, Dekanat Freising